Brüssel, Versailles Unter dem Eindruck russischer Bombenangriffe auf ukrainische Zivilisten verschärft die EU ihre Sanktionen. „Morgen werden wir ein viertes Maßnahmenpaket ergreifen, um Russland weiter zu isolieren und ihm die Ressourcen zu entziehen, die es zur Finanzierung dieses barbarischen Krieges einsetzt“, sagte Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Freitag im Anschluss an den EU-Gipfel in Versailles.
Unter anderem planen die Europäer, Russlands Rechte als Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank auszusetzen. „Wir werden sicherstellen, dass Russland von diesen Institutionen keine Finanzmittel, Darlehen oder sonstigen Vorteile mehr erhalten kann“, betonte von der Leyen. „Denn Russland kann nicht einerseits grob gegen das Völkerrecht verstoßen und andererseits erwarten, in den Genuss der Privilegien als Teil der internationalen Wirtschaftsordnung zu kommen.“
Auch die Vorteile, die Russland als Mitglied der Welthandelsorganisation WTO genießt, sollen aufgehoben werden. Das bedeutet, dass Russland der sogenannte Meistbegünstigten-Standing entzogen wird. Die neuen EU-Maßnahmen sind eng mit den G7-Partnern abgestimmt.
US-Präsident Joe Biden hat am Freitag ebenfalls weitere Wirtschaftsstrafen gegen Russland verhängt.
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Die EU hatte nach Beginn der russischen Aggression in kurzem Abstand drei Sanktionspakete beschlossen. Das vierte sollte ursprünglich vor allem primär darauf abzielen, Schlupflöcher zu stopfen. Doch nun geht es deutlich über die angekündigten Schritte hinaus.
So verbietet die EU die Einfuhr von „wesentlichen Gütern im Eisen- und Stahlsektor aus der Russischen Föderation“, wie von der Leyen erläuterte. „Dies ist ein Schlag gegen einen zentralen Sektor des russischen Techniques, bringt das Land um Ausfuhrerlöse in Milliardenhöhe und gewährleistet, dass unsere Bürgerinnen und Bürger nicht ungewollt Putins Krieg subventionieren“, sagte die Kommissionschefin.
EU blockiert auch Export von Luxusgütern nach Russland
Darüber hinaus will die EU europäische Investitionen im russischen Energiesektor untersagen. „Wir sollten unsere Energieabhängigkeit nicht verstärken – im Gegenteil: Wir wollen sie ja hinter uns lassen“, so von der Leyen. Dieses Verbot erstrecke sich auf alle Investitionen, Technologietransfers, Finanzdienstleistungen für die Erschließung von Energiequellen und die Energieerzeugung.
Ergänzt werden die Maßnahmen um Ausfuhrsperren für europäische Luxusgüter, Beschränkungen für den Handel mit Kryptowährungen und die Einrichtung einer Sanktionstaskforce im G7-Rahmen, deren Ziel es ist, gegen die Vermögenswerte von Putin-Getreuen vorzugehen.
Vor einem Einfuhrverbot für Öl, Gasoline und Kohle schreckt die EU dagegen bislang zurück. Zwar sind diese Rohstoffe die wichtigste Devisenquelle des Kreml. Täglich zahle die EU Russland allein 600 Millionen Euro für Gasoline und 350 Millionen Euro für Öl, schätzt Simone Tagliapietra, Energie-Experte der Brüsseler Denkfabrik Bruegel.
Doch gerade Deutschland sträubt sich dagegen, die Russland-Sanktionen auf Energieträger auszuweiten – aus Sorge um die Versorgungssicherheit. „Es ist eine bewusste, begründete und nachvollziehbare Entscheidung, dass wir jedenfalls von unserer Seite aus die Importe, die wir heute im Bereich der Energie haben in Europa, nicht einstellen werden“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in Versailles.
Frankreich droht mit weiteren, „massiven Sanktionen“
Europa sei viel stärker auf Energielieferungen aus Russland angewiesen als etwa die USA und Kanada, die in den vergangenen Tagen Importstopps für russisches Öl verhängt haben. „Was sie machen, das wissen sie, kann Europa nicht in gleicher Weise unternehmen“, sagte der Kanzler über die Schritte der Bündnispartner.
Unterstützt wird die Bundesregierung im EU-Kreis von Italien, Österreich und Ungarn. Aus Osteuropa und Skandinavien kommt dagegen offene Kritik. „Wir finanzieren Russlands Krieg, indem wir Gasoline und Öl kaufen“, klagte die finnische Ministerpräsidenten Sanna Marin.
Das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist jedenfalls noch nicht gesprochen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte zum Abschluss des EU-Gipfels an, dass die Europäer bei einer weiteren Eskalation in der Ukraine zu „massiven Sanktionen“ bereit seien: „Nichts ist tabu.“
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