Der Branche der Steuerberatung und den Wirtschaftsprüfern fehlt es an qualifiziertem Nachwuchs.
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Köln Erst sollten sie Ende Oktober vorliegen. Dann wurde die Frist auf Ende Januar verschoben. Doch auch bis zum 31. Januar sind in den Finanzämtern Nordrhein-Westfalens nur 70 Prozent der angeforderten Grundsteuererklärungen eingegangen. In anderen Bundesländern sieht es ähnlich aus, etwa ein Drittel der Immobilien- und Grundstücksbesitzer sind säumig.
Das von der Bundesregierung 2019 auf den Weg gebrachte Grundsteuer-Reformgesetz soll die Besteuerung von Immobilien ab 2025 eigentlich einfacher und fairer machen. Statt mit veralteten Einheitswerten wird künftig mit der realen Wertentwicklung gerechnet. Doch vorerst bedeutet die Neuregelung zusätzlichen Aufwand. Das Finanzamt forderte Daten an, die vielen Eigentümern nicht vorlagen und die zunächst bei Behörden angefragt werden mussten.
Noch Ende Januar forderte die Bundessteuerberaterkammer eine erneute Verlängerung der Frist. Erhört wurde dieser Ruf einzig in Bayern. Die Kanzleien ächzen unter zusätzlichem Aufwand. Mit nahender Frist hätten zahlreiche Mandanten aus Überforderung zum ersten Mal ein Steuerberatungsbüro aufgesucht, teilte die Kammer mit.
Dass sich in den Kanzleien die Aufträge stapeln, bestätigt eine Studie des Hamburger Instituts SWI Finance. Im Auftrag des Handelsblatts hat es fast 5000 Steuerberater und Wirtschaftsprüfer online zu Herausforderungen für die Branche befragt. 88 Prozent der Kanzleien geben an, derzeit sehr stark oder stark belastet zu sein. Und etwa 70 Prozent nennen die Umsetzung der Grundsteuerreform als Faktor, der die Arbeitslast besonders erhöht hat. Damit haben sich die Befürchtungen aus dem Vorjahr erfüllt.
Schon 2022 hatten die Umfrageteilnehmer die bevorstehende Reform als große Herausforderung genannt. Das Problem: Der Ansturm auf die Kanzleien ist mit Abgabe der Erklärungen nicht vorbei. „Einsprüche und die Prüfung der Bescheide bleiben noch mindestens die nächsten zwei Jahre hochrelevant“, sagt SWI-Geschäftsführer Marcus Schad
Bußgelder drohen
Generell sind etwa 70 Prozent der Teilnehmer der Ansicht, dass das deutsche Steuerrecht immer komplizierter wird. „Trotz anderweitiger Ankündigungen aus der Politik gibt es keinen Hinweis auf eine Trendumkehr“, sagt Schad. Nur 24 Prozent glauben, ihre Mandanten in allen Lebenslagen rechtssicher beraten zu können. Besonders belastend sind häufige Gesetzesänderungen – viele Steuerberater hangeln sich von Fortbildung zu Fortbildung.
57 Prozent der Befragten sind zudem der Meinung, dass die Finanzbehörden immer mehr Tätigkeiten an die Steuerpflichtigen auslagern, so wie bei der mühsamen Suche nach Daten für die Grundsteuer. Die drohenden Bußgelder bei verspäteter Abgabe von Steuererklärungen verstärken den Zeitdruck. „Das führt zu kaum noch beherrschbarem Stress bei Mitarbeitern, Führungskräften und auch im Miteinander mit den Mandanten“, sagt Schad.
Durchblick und Know-how sind also gefragt. SWI hat in der Studie auch die besten Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Deutschlands ermittelt. Dazu mussten die Teilnehmer Fragen zu ihren Fachbereichen beantworten. Wer besonders viele Punkte erreichte, schaffte es auf die Bestenliste. Ausgezeichnet wurden 605 Steuerberatungs- und 113 Wirtschaftsprüfungskanzleien.
Kleine Kanzleien, die den Anforderungen nicht gewachsen sind, geben vermehrt auf, was die Zahl der Mandate und die Arbeitsbelastung für die verbliebenen erhöht. Diese müssen vermehrt Mandate ablehnen und sich gar von bestehenden Mandaten trennen.
Rekrutierung neuer Mitarbeiter ist die größte Herausforderung
Für die Zukunft plant dies etwa jede zehnte Kanzlei. Gleichzeitig erschweren die zunehmenden Anforderungen die Suche nach geeignetem Personal. „Der Pool der gut ausgebildeten Mitarbeiter wird gemessen am Bedarf immer kleiner“, sagt Schad. Wie schon im Vorjahr zeigt die Umfrage: Die Rekrutierung neuer Mitarbeiter ist derzeit die mit Abstand größte Herausforderung. Mehr als 90 Prozent der Befragten bewerten diese als entscheidend für den zukünftigen Erfolg ihrer Kanzlei.
Im Fokus steht die Suche nach qualifiziertem Nachwuchs – denn die erweist sich als besonders schwierig. Eine Studie der Unternehmensberatung Haufe widmet sich der Generation Z, also den heutigen Berufseinsteigern.
Die Autoren befragten im August 2022 junge Menschen, die durch Ausbildung oder Studium für einen Job in der Steuerberatung prädestiniert wären. Nur 18 Prozent gaben an, sich eine Tätigkeit in der Branche vorstellen zu können. Steuerberatung werde von vielen als eintönig und wenig kreativ, zugleich aber komplex wahrgenommen, so ein Ergebnis der Studie. Allein mit Arbeitsplatzsicherheit könne das Berufsfeld punkten.
Die Kanzleien müssten am Image der Branche arbeiten, folgern die Haufe-Autoren. Es gehe darum, die Vielseitigkeit des immer digitaleren Berufsfelds zu vermitteln, etwa über die bevorzugten Kanäle der Generation Z, also vor allem soziale Netzwerke.
Zudem müssten die Unternehmen mehr Praktika anbieten, um Einblicke in den Arbeitsalltag zu gewähren. „Die steuerberatenden Berufe werden deutlich schlechter wahrgenommen, als sie tatsächlich sind“, urteilen die Autoren. Trotz aller Herausforderungen bewerten in der SWI-Umfrage 82 Prozent der Kanzleien ihre wirtschaftliche Situation als positiv. Allerdings erwarten nur 64 Prozent ein Wachstum – ein Jahr zuvor waren es noch 72 Prozent.
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