München Hunderte Telefonate und Dutzende persönliche Gespräche liegen hinter den Chefs der Deutschen Fußball Liga (DFL). Sie warben für einen Milliardendeal mit einem Finanzinvestor, damit so Digitalisierung und Internationalisierung vorangetrieben werden können. Und doch hing bis zum Schluss eine bange Frage über der außerordentlichen Versammlung der 36 DFL-Mitglieder an diesem Mittwoch: Steht die nötige Zweidrittelmehrheit unter den Profiklubs der Ersten und Zweiten Bundesliga? Es dürfte denkbar knapp werden, jede Stimme zählt.
Das macht die Sitzung am Mittwoch in Frankfurt zum Showdown in einer nervösen Zeit. Denn auch die Gegner des geplanten Deals haben mobilgemacht. Es geht um einiges, schließlich sollen 12,5 Prozent der gesamten DFL-Medienerlöse auf 20 Jahre einem Private-Equity-Unternehmen zufallen. Im verbliebenen Kreis der vier Interessenten liegt, so der aktuelle Stand, das höchste Gebot bei 1,85 Milliarden Euro.
Auf diesem Niveau dürften Blackstone und CVC vorn liegen, gefolgt von Advent. Der schwedischen Firma EQT hingegen wurde von den Transaktionsbanken Deutsche Bank und Nomura wohl bedeutet, rund zehn Prozent hinter den besten Angeboten zurückzuliegen. Ausgeschieden ist KKR: Der Axel-Springer-Gesellschafter bot dem Vernehmen nach nur 1,33 Milliarden.
Eine hitzige Debatte zum Lockruf des Geldes ist zu erwarten. Das DFL-Präsidium stellt dabei den Antrag, in einer „Phase zwei“ des Investorenprojekts mit den verbliebenen vier Bietern „binding offers“ zu erreichen. Später sollen die DFL-Mitglieder noch einmal über die „Phase drei“, die Endverhandlungen mit dem dann ausgewählten Partner, entscheiden.
Die geplante Transaktion rund um die neue Tochterfirma „DFL MediaCo GmbH & Co. KGaA“ stelle „ein Rechtsgeschäft von erheblicher Bedeutung“ da, heißt es im DFL-Antrag. „Deutlich überwiegend betroffen“ seien dabei die Erstligisten, sie bringen fast komplett die Gelder in der internationalen Vermarktung ein. Deshalb sollen sie beim entscheidenden DFL-Meeting zunächst in einer „Teilversammlung“ mit Zweidrittelmehrheit der Geldbeschaffung zustimmen.
Lockmittel für Unentschlossene
Ein solches Votum in diesem Kreis gilt als wahrscheinlich. Höchstens fünf der 18 Erstligisten – zum Beispiel Köln und Augsburg – gelten als Gegner des Investorenmodells. Ein positiver Ausgang würde dann auf die folgende Gesamtversammlung aller 36 DFL-Klubs ausstrahlen, hoffen die Befürworter rund um DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke aus Dortmund.
So sei vielleicht auch der eine oder andere in der Riege jener neun Zweitligisten umzustimmen, die bis dato als Widersacher auftraten. Ein Lockmittel sind zusätzliche 36 Millionen Euro, über die Zweitligisten nach den DFL-Planungen jenseits des üblichen Verteilungsschlüssels verfügen dürfen.
Fans des Erstligisten setzen ein Zeichen gegen die Investoren-Pläne.
(Foto: IMAGO/Matthias Koch)
Es wird in der Diskussion der Klubs um viele wichtige Details gehen, die erst jetzt publik werden. So wird das von einigen Vereinen dringend benötigte Investorengeld nicht en bloc sofort, sondern in fünf Jahrestranchen fließen. Von den DFL-Erlösen gehen dagegen sofort im ersten Jahr 12,5 Prozent ab. Eine Art Reservekasse soll bei etwaigen Finanzlücken helfen, sofern die betreffenden Klubs ordentlich gewirtschaftet haben. Eine „strategische Reserve“ gibt es auch, wenn die vorgesehene Fanplattform einmal tatsächlich zu einer Streamingplattform mit Videos ausgebaut werden sollte.
Ein Thema dürften auch Vetorechte sein. So kann die DFL einen ihr unliebsamen Neuinvestor verhindern, dem der umworbene Private-Equity-Partner nach frühestens acht Jahren seinen Anteil weiterverkaufen könnte. Auch die DFL hat für diesen Fall ein Vorkaufsrecht. Umgekehrt hat der ausgewählte Investor gewisse Blockaderechte im Aufsichtsrat und im Beirat („Advisory Board“) der neuen DFL MediaCo, in die er mit eigenen Vertretern einziehen wird.
Und auch das Managementteam soll den Geldgeber repräsentieren: Er hat das Recht, den „Chief Commercial Officer“, also einen der Geschäftsführer, mitzubestimmen, bestätigt die DFL-Geschäftsführung auf Anfrage. Im Kreis der Investoren wird in diesem Zusammenhang auf die sehr ambitionierten Ziele der DFL hingewiesen: Die Medienerlöse sollen innerhalb einer Dekade von 1,4 Milliarden auf 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2031 steigen. Da sei eine perfekte Vermarktung nötig, bei der man sich gerne einbringe.
Debatten um Deal erschüttern Klubs und Verbände
Mögliche Vetorechte eines Partners würden, wie bei derartigen Vereinbarungen üblich, vor allem signifikante Änderungen an der grundsätzlichen, einer Partnerschaft zugrunde liegenden Vereinbarung betreffen, heißt es bei der DFL. Für die Dauer der Minderheitsbeteiligung sei daher nach aktuellem Konzeptstand ein Vetorecht des Partners gegen eine etwaige Beendigung des Lizenzvertrags durch die DFL e.V. vorgesehen.
Nicht betroffen seien explizit die hoheitlichen Rechte der DFL rund um die Organisation des Spielbetriebs sowie die Lizenzierung der Klubs und Spieler. „Weder Pflichtspiele im Ausland noch neue Anstoßzeiten oder etwaige Mitbestimmungsrechte eines Partners im Bereich der Spielplanung sind Bestandteil der Überlegungen“, erklärt ein Sprecher.
Schon solche Debatten um den Deal erschüttern die Klubs und die Verbände. So meldeten sich am vorigen Wochenende 15 der 18 Drittligisten, die unter der Kuratel des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) stehen. Sie fühlen sich direkt betroffen, schließlich sollen die Absteiger aus der Zweiten Liga – ihre künftigen Rivalen – mit rund 25 Millionen Euro Investorengeld bedacht werden.
In einem langen Papier stellen die Drittligisten allerhand Fragen – etwa ob die angedachte Verteilung der Finanzmittel dazu führen könnte, das „Identitätsmerkmal“ des deutschen Fußballs eines offenen, durchlässigen Ligasystems durch „wirtschaftliche Markteintrittsschranken“ auszuhebeln. Ob es zu Kartellverfahren kommen könne, wird gefragt. Die Fußballverantwortlichen sollten „die Förderung von Klubs jenseits der DFL fokussieren“, heißt es in dem Brandbrief.
Für den Zweitligisten FC St. Pauli ist der geplante Investorendeal definitiv noch nicht spruchreif. Der populäre Kiezklub stellte für die DFL-Mitgliederversammlung einen eigenen Antrag: Die anstehende Entscheidung über die Projektphase zwei, die „vertiefende Due Diligence“, solle auf die ordentliche Mitgliederversammlung im August vertagt werden.
Fragen bei der Umsetzung
Es handele sich um ein für zwei Jahrzehnte wegweisendes Projekt, viele entscheidende und komplexe Fragen seien aber noch offen. Die DFL-Mitglieder sollten deshalb in den nächsten vier Wochen schriftliche Fragen an die DFL-Gremien schicken dürfen, die in weiteren vier Wochen zu beantworten seien. Man wolle die Entscheidung „auf eine stabile inhaltliche Basis stellen“.
Die FC-St.-Pauli-Manager thematisieren auch, wie ein Deal „durch eine noch nicht bestimmte neue DFL-Geschäftsführung“ wohl umzusetzen sei. Die Interimschefs Axel Hellmann und Oliver Leki kehren Anfang Juli ins Management ihrer Stammklubs Eintracht Frankfurt und SC Freiburg mit deutlich besser dotierten Verträgen zurück. Wer ihnen nachfolgt, ist noch ungeklärt. Womöglich kommt der im DFL-Aufsichtsrat bereits vorgestellte FC-Bayern-München-Finanzchef Jan-Christian Dreesen doch nicht – die Führungskrise beim deutschen Rekordmeister könnte seine weitere Präsenz dort nötig machen.
Die Zeit drängt, auch in der Cheffrage. Schon wird ein neuer Kandidat gehandelt, der einst als Privatsenderchef von Vox und RTL Deutschland Erfolge feierte: Bernd Reichart. Derzeit arbeitet der Manager als Chef des spanischen Sportprojektentwicklers A22 an einer „Super League“ der europäischen Spitzenklubs, mit noch geringen Erfolgsaussichten. Ein Vorbild für seine aktuelle Arbeit hat er bereits benannt: die DFL.
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