Noch ist Mao Zedong in den Köpfen vieler Chinesen der überragende Führer Chinas. Überall sieht man große und kleine Porträts des Gründers der Volksrepublik. Wenn es nach Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping geht, soll immer häufiger auch sein eigenes Abbild an Taxirückspiegeln und in Wohnzimmern hängen. „Xi Dada“, Onkel Xi, wie er halb ironisch von vielen genannt wird, sorgt dafür, dass der Kult um seine Individual immer massivere Formen annimmt – und immer mehr an den um Mao erinnert.
In diesem Jahr wird die Kommunistische Partei mit hoher Wahrscheinlichkeit bei ihrem Parteitag im Herbst für eine dritte Amtszeit des chinesischen Staats- und Parteichefs stimmen – ein historisch einmaliger Vorgang.
Chinesische Staatsmedien drucken auf ihren Titelseiten quick täglich Texte über die Reisen oder weisen Worte Xis. In Schulen müssen „Xi Jinpings Gedanken“ gelehrt werden. Seit 2018 stehen sie sogar in der Verfassung des Landes.
Kritik an der zentralen Führungsfigur, aber auch an der weiteren Staatsführung in Peking ist verboten. Die Grenzen dessen, was gesagt werden darf, sind unter Xi noch enger geworden. Und sie gelten für jeden. Web-Milliardär Jack Ma wurde für Kritik an einem chinesischen Regulierer genauso abgestraft wie der Geschäftsmann Ren Zhiqiang, der für 18 Jahre ins Gefängnis musste, weil er Mängel an Xis Administration der Coronakrise thematisiert hatte. Journalisten werden verfolgt, Kommentare in sozialen Medien zensiert.
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Machtkonzentration und Personenkult sind China unter Mao nicht intestine bekommen
Dabei hat China mit der Machtkonzentration auf eine Individual leidvolle Erfahrungen gemacht – und nach Mao bewusst einen anderen Weg eingeschlagen.
Maos Kampagne zur Industrialisierung Chinas unter dem Namen „Großer Sprung nach vorn“ brachte eine verheerende Hungersnot über das Volk. Weil niemand es wagte, den unerreichbaren Produktionszielen des „großen Steuermanns“ zu widersprechen, schmolzen Bauern zur Maximierung der Stahlproduktion ihre Werkzeuge ein und konnten in der Folge ihre Äcker nicht mehr bestellen. Lange Zeit blieben die massiven Ernteausfälle unbemerkt in Peking, weil niemand sich traute, die schlechte Botschaft zu überbringen.
Später bei der Kulturrevolution verfolgten, quälten und ermordeten Maos „Rote Backyard“ in fanatischem Eifer Millionen Menschen. Mao jedoch sah sich als unfehlbar und hielt am eingeschlagenen Weg fest.
Sein Nachfolger Deng Xiaoping erkannte die große Machtkonzentration als Downside und ließ Begrenzungen einziehen: Die Amtszeit von Führungsfiguren wurde eingeschränkt, das Kollektiv sollte entscheiden und nicht ein Einzelner.
Doch Xi hat zentrale Elemente dieses Prinzips wieder rückgängig gemacht. So weit, dass der immer weiter gehende Personenkult um ihn und die Konzentration der Macht auf den 68-Jährigen inzwischen eine ernsthafte Gefahr für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt darstellen. Denn ein Regime, das keine Kritik zulässt und alle Macht auf eine Führungsperson konzentriert, nimmt sich selbst die Fähigkeit zu lernen.
Die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft steht vor großen Problemen
Angesichts der großen Herausforderungen, mit denen China in den kommenden Jahren umgehen muss, ist dies eine gefährliche Entwicklung. In den kommenden Dekaden muss die chinesische Staatsführung Probleme angehen, die bislang durch das hohe Wachstum überdeckt wurden. Die Reform des Immobilienmarkts, die den gesamten Sektor in eine tiefe Krise gestürzt hat, ist nur ein Beispiel. Für den Klimaschutz muss die komplette Energieversorgung umgestellt werden.
Hinzu kommen die große Ungleichheit im Land, die starke Überalterung und die Spannungen mit dem Ausland. All das zu bewältigen, ohne dass es zu einem Kollaps der Wirtschaft kommt, ist eine riesige Herausforderung.
Es wäre dem chinesischen Volk und der Welt zu wünschen, dass sich die KP wieder zurückbesinnt auf Dengs Prinzip der kollektiven Führung und Kritik zulässt. Wahrscheinlich ist das jedoch nicht.
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