Der Chemiehändler will seinen Aufsichtsrat neu aufstellen.
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Düsseldorf Der Chemikalienhändler Brenntag gerät unter immer stärkeren Druck seiner Aktionäre. Auf der kommenden Hauptversammlung am 16. Juni könnten die vom Konzern vorgeschlagenen Kandidaten für den neuen Aufsichtsrat möglichweise keine Mehrheit bekommen. Denn der aktivistische Investor Primestone Capital, der zwei Gegenkandidaten aufgestellt hat, bekommt Schützenhilfe von einflussreicher Seite.
Der amerikanische Stimmrechtsberater ISS hat sich gegen die Wahl der beiden Brenntag-Kandidaten ausgesprochen und empfiehlt Investoren, die beiden von Primestone vorgeschlagenen Manager zu wählen. Damit spitzt sich die Auseinandersetzung zwischen dem Essener Konzern und dem britischen Hegdefonds zu, der eine Aufspaltung von Brenntag fordert.
Primestone selbst hält zwar nur zwei Prozent der Anteile und entsprechend wenig Stimmrechte. Doch viele angelsächsische Fonds orientieren sich bei ihren Stimmabgaben auf Hauptversammlungen an den Empfehlungen der großen Berater wie ISS.
Die Empfehlungen von ISS haben schon in der Vergangenheit einschneidende Wirkung gehabt – etwa beim Vertrauensentzug gegen Bayer-Chef Werner Baumann auf der Hauptversammlung 2019. Der zweite große amerikanische Stimmrechtsberater Glass Lewis hat noch keine Empfehlung für die Brenntag-Hauptversammlung (HV) abgegeben.
Der Vorschlag von Brenntag sieht die Wiederwahl von Richard Ridinger vor, der dann auch den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen soll. Die bisherige Chefkontrolleurin Doreen Nowotne zieht sich von dem Posten zurück. Neu in den Aufsichtsrat soll Suja Chandrasekaran gewählt werden.
Primestone hat sich gegen die Bestellung von Ridinger und Chandrasekaran ausgesprochen und mit Geoff Wild und Joanna Dziubak zwei Gegenkandidaten aufgestellt. Wild hatte früher die deutsche Spezialchemie- und Ausrüstungsfirma Atotec geleitet, Dziubak ist eine ehemalige Mitarbeiterin der US-Investmentbank Goldman Sachs.
Primestone fordert Aufspaltung
Mit einem Einzug seiner beiden Kandidaten ins Kontrollgremium würden die Forderungen des aktivistischen Investors nach einem Strategiewechsel bei Brenntag schlagartig mehr Gewicht bekommen. Primestone fordert die Aufspaltung des Chemiehändlers in zwei eigenständige Unternehmen: eines fürs Massengeschäft und eines für den Handel mit Spezialchemie.
Brenntag weist dies zurück und will beide Sparten unter einem Dach weiterentwickeln. Aber auch ISS argumentiert in dem nun veröffentlichten Bericht, die duale Struktur des Unternehmens bringe keine Vorteile.
Der Essener Konzern ruft die Aktionärinnen und Aktionäre dazu auf, der Ablehnung von ISS nicht zu folgen. Der ehemalige Lonza-Chef Ridinger habe eine tiefe Branchenerfahrung in der gesamten Chemiebranche, die Gegenkandidat Wild nicht vorweisen könne, heißt es in einem Statement von Brenntag.
Eine Wahl der Primestone-Kandidaten würde zudem dazu führen, dass der Aufsichtsrat nicht wirklich unabhängig im Interesse aller Anteilseigner agieren könne, argumentiert Brenntag weiter. Unterstützung bekommt der Konzern von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die Tausende Kleinaktionäre vertritt.
Deren Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler hat die Forderungen von Primestone nach einer Aufspaltung von Brenntag zurückgewiesen und unterstützt die Wahl von dessen Kandidaten fürs Kontrollgremium auch nicht.
Offen ist, wie sich andere wichtige Anteilseigner in dieser Frage positionieren. Zu den größeren Aktionären gehört der Vermögensverwalter Blackrock, der US-Investor Capital Group und der deutsche Vermögenverwalter Flossbach von Storch. Auch die Holding des Hamburger Logistikunternehmers Klaus-Michael Kühne hält einen größeren Anteil an Brenntag.
Am 16. Juni könnte es auf der Hauptversammlung zum Showdown kommen. Sollte sich der aktivistische Investor durchsetzen, dürfte dies auch das Management um Vorstandschef Christian Kohlpaintner aufwirbeln.
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