Doch zu kostspielige Wünsche kann auch Lindner seinen Kabinettskollegen nicht ermöglichen. Die Haushaltsverhandlungen startet er deshalb mit einer Mahnung zur Sparsamkeit. Diese Botschaft überbrachte Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer seinen Kollegen aus den anderen Ministerien bei einem Treffen in der vergangenen Woche, das der Auftakt zu den Etatberatungen battle.
Gatzer machte der Staatssekretärsrunde unmissverständlich klar: Große Ausgabenwünsche können sie sich abschminken. Stattdessen verordnete das Bundesfinanzministerium einen Sparkurs. Dies geht aus der Präsentation Gatzers hervor, mit der er seinen Kollegen die Haushaltslage schilderte und die dem Handelsblatt vorliegt.
Am 8. März will das Kabinett sowohl den neuen Entwurf für den Haushalt des laufenden Jahres wie auch die Eckwerte für den Etat 2023 beschließen. Wegen dieser Doppelarbeit und des engen Zeitplans brauche es „eine sehr konstruktive Zusammenarbeit und höchste Disziplin aller Beteiligten“, mahnte Lindners Haushaltsexperte.
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Für den Haushalt 2022 gilt die Planung der Großen Koalition aus dem vergangenen Sommer als Foundation. Die dort vorgesehene Nettokreditaufnahme von knapp 100 Milliarden Euro „bildet die Grundlage des weiteren Verfahrens und ist in den jeweiligen Haushaltsansätzen zugleich als Obergrenze zu verstehen“, heißt es in der Präsentation.
Schuldenbremse soll 2023 wieder greifen
Mit anderen Worten: Mehr Schulden will Lindner auf keinen Fall machen – und deshalb gibt es für die einzelnen Ressorts auch nicht mehr Geld. Sollten die Ministerien darüber hinaus Mittel für neue Projekte benötigen, müssen sie an anderer Stelle in ihrem Etat entsprechend einsparen. „Zusätzliche Belastungen sind durch entsprechende Gegenfinanzierung – etwa durch Mittelumschichtung im jeweiligen Ressort oder durch Einnahmeerhöhungen zum Beispiel durch Subventionsabbau – zu finanzieren“, heißt es in der Präsentation des Bundesfinanzministeriums.
Und im kommenden Jahr wird es nicht besser aussehen. Im Gegenteil: Ab 2023 will die Ampel wieder die Schuldenbremse einhalten. Deshalb müsse die Kreditaufnahme „drastisch reduziert werden“, betont Gatzer in seiner Botschaft an die Staatssekretärskollegen.
So klingen in der Präsentation auch die „Leitlinien“ für die Haushaltspolitik. Es sei notwendig, „für die gesamte Legislaturperiode alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen“. Um die gewünschten Investitionen der Ampel zu finanzieren, seien „auch Ausgabenkürzungen vorzunehmen und Ausgabenreste abzubauen“.
Sollten sich finanzielle Spielräume ergeben, müssten diese zunächst dazu genutzt werden, um Löcher im Haushalt oder drohende Mehrausgaben zu schultern. So bestehe im Jahr 2025 noch immer eine Haushaltslücke von 6,2 Milliarden Euro, die geschlossen werden müsse. Zudem drohten höhere Ausgaben, etwa für bestehende internationale Verpflichtungen, die den Bund vor „große Herausforderungen stellen“.
So räumt das Bundesfinanzministerium in der Präsentation ein, dass die Nato-Quote und die Ausgabenquote für Entwicklungshilfe im Finanzplan bis 2025 „deutlich zurückgehen“. So sinken die Verteidigungsausgaben zwischen 2021 und 2025 nach der jetzigen Planung von 1,49 auf 1,27 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Internationale Verpflichtungen kaum einzuhalten
Dabei hatte die Bundesregierung 2014 worldwide zugesagt, binnen zehn Jahren das Zwei-Prozent-Ziel der Nato-Länder erreichen zu wollen. Der aktuellen Planung nach sinkt zudem die sogenannte ODA-Quote von 0,72 auf 0,53 Prozent. Diese gibt den Anteil der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit am Bruttonationaleinkommen an.
Wenn die Bundesregierung die Quoten auch nur um 0,1 Prozentpunkte steigern wolle, erfordere dies „jährliche Mehrausgaben von jeweils rund vier Milliarden Euro“, heißt es in der Präsentation. Wie gering die Spielräume im Haushalt sind, zeigt sich auch daran, dass das Bundesfinanzministerium für die nächste Tarif- und Besoldungsrunde 2023 keine Vorsorge treffen will.
Etwas Zuversicht vermittelte Gatzer seinen Kollegen dann doch. Durch die neue Steuerschätzung habe sich der Finanzlage deutlich gebessert. Doch dann folgte schon die nächste Mahnung: Die Ampelkoalition dürfe den Spielraum nicht direkt zu Beginn der Wahlperiode verjubeln.
Ob das gelingt, ist fraglich. Laut Regierungsvertretern bahnt sich bereits an, dass einige Ministerien mit Forderungen nach deutlich mehr Mitteln in die weiteren Haushaltsverhandlungen gehen werden. Auch FDP-geführte Ressorts wie das Bildungs- und Forschungsministerium oder das Verkehrs- und Digitalministerium haben kostspielige Projekte umzusetzen.
Bei einem Sparziel könnte aber Einigkeit bestehen: Das Bundesfinanzministerium mahnte die anderen Ressorts, jegliche finanzielle Leistungen an die Bundesländer auf den Prüfstand zu stellen. Der Anlass dafür: Selbst im Corona-Krisenjahr 2021 hielt sich die Neuverschuldung der Bundesländer in Grenzen. Einige Bundesländer haben den Angaben Gatzers zufolge sogar einen Überschuss erzielt, während der Bund Rekordschulden in Höhe von rund 215 Milliarden Euro aufnehmen musste.
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