Berlin Sie analysieren Lebensläufe, optimieren Stellenanzeigen, scannen Bewerber auf Übereinstimmungen mit Jobprofilen oder berechnen die Wahrscheinlichkeit, mit der Mitarbeiter kündigen: Softwareanwendungen, die Personalabteilungen das Leben leichter machen sollen.
Rein technisch wäre wohl schon bald ein vollautomatisierter Einstellungsprozess möglich, schrieb der Bundesverband der Personalmanager (BPM) schon vor drei Jahren in einer Publikation zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Personalarbeit. Auch wenn das keine erstrebenswerte Imaginative and prescient ist, wie der BPM ausdrücklich betonte, so wächst unter Arbeitnehmervertretern doch die Sorge, dass künftig Algorithmen über Bewerberauswahl oder Einstellungen entscheiden könnten. Sie fordern klare Regeln für ihren Einsatz.
Dies zeigt eine aktuelle Betriebs- und Personalräteumfrage, die der BPM gemeinsam mit dem Ethikbeirat HR-Tech durchgeführt hat, einem Gremium aus Wissenschaftlern, Personalern, Juristen und Gründern. Die Ergebnisse liegen dem Handelsblatt vor. Demnach sind 80 Prozent der Befragten der Ansicht, dass es Richtlinien für den KI-Einsatz oder Automatisierungen in der Personalarbeit geben sollte. 86 Prozent wünschen sich eine gesetzliche Regelung.
DGB-Chef Hoffmann fordert ein Replace der Mitbestimmung
Die Ergebnisse machten deutlich, „dass der Einsatz moderner Technologien wie KI im Betrieb ein Replace der Mitbestimmung erfordert“, sagte der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann, dem Handelsblatt. „Um KI für gute Arbeit nutzen zu können, braucht es mehr Transparenz, Kompetenz und neue Mitbestimmungsregeln für eine präventive, betriebliche und soziale Folgenabschätzung“, betonte der Gewerkschafter, der selbst dem Ethikbeirat HR Tech angehört.
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Der Vergleich mit einer im Sommer durchgeführten Umfrage unter Personalverantwortlichen zeigt, dass die Arbeitnehmervertreter den neuen Technologien deutlich kritischer gegenüberstehen als die Managerinnen und Supervisor. Ein Grund dafür könnte sein, dass sie bei der Einführung nicht in dem Maße einbezogen werden, wie sie es für erforderlich halten. Auch die Vermittlung relevanter Kompetenzen für die Nutzung der Programme lässt aus Sicht der Betriebsräte noch zu wünschen übrig.
Nur fünf Prozent der Befragten gaben an, dass es in ihrem Betrieb oder ihrer Verwaltung bereits eigene Grundsätze oder Richtlinien zum Umgang mit digitalen Technologien in der Personalarbeit gibt, bei weiteren 17 Prozent sind sie in Planung. Neben dem Grundsatz, dass nur zweckdienliche Daten erhoben werden dürfen, ist den Arbeitnehmervertretern besonders wichtig, dass der Mensch die letzte Entscheidungsbefugnis hat und nicht ein Algorithmus. Jeweils 84 Prozent der Betriebsräte halten dies für sehr wichtig. Drei von vier Befragten betonen, dass keine Daten ohne Einwilligung erhoben werden sollten.
Der Einsatz von KI in der Personalarbeit dürfte nur ein Aspekt sein, wenn SPD, Grüne und FDP – wie vereinbart – neue Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz auf den Weg bringen wollen. Schon Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag den Prüfauftrag vereinbart, ob es dafür ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgesetz geben soll.
Vor wenigen Tagen hat nun der damals vom Bundesarbeitsministerium eingesetzte Beirat unter dem Vorsitz der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin seine Empfehlungen vorgelegt.
Unabhängiger Beirat empfiehlt bundeseinheitliche Regeln zum Beschäftigtendatenschutz
Darin heißt es: „Arbeitgeber und Beschäftigte sollten beim Umgang mit Beschäftigtendaten durch ein bundesweit einheitliches, rechtlich verbindliches und verlässliches Regelwerk rechtssicher einschätzen können, welche Entscheidungen und Maßnahmen bei der Verarbeitung von Beschäftigtendaten zulässig und welche unzulässig sind.“
In Betrieben und Verwaltungen entstünden immer detailliertere Datensätze, die die Arbeitsorganisation dank neuer Verknüpfungs- und Auswertungsmöglichkeiten effizienter und menschengerechter machen könnten. Gleichzeitig gelte es aber, zunehmende Leistungsverdichtung und Überwachung von Beschäftigten zu verhindern.
Um einen fairen Ausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen herzustellen, empfiehlt der Beirat, Transparenz über die verwendeten Programme herzustellen. Aufgrund der Dynamik der technischen Veränderungen seien aber auch Technologieneutralität und Technikoffenheit bedeutsam.
KI sei die nächste Stufe einer durch den technologischen Fortschritt getriebenen Digitalisierung, schreiben die Experten in ihrem Bericht. Deshalb empfehle der Beirat „nachdrücklich, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Beschäftigtenkontext gesetzlich zu regeln“.
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