Frankfurt Es ist ein Segment, in dem Profianleger oftmals zweistellige Renditen einstreichen: die Private Markets. Dabei geht es um Unternehmensbeteiligungen (Private Equity), Wagniskapital (Venture-Capital) und private Immobilieninvestments. Die Crux: Die Einstiegssummen sind so hoch, dass sich in der Regel nur Multimillionäre, Family-Offices oder institutionelle Investoren auf diesem Markt engagieren.
Das Berliner Start-up Tokenstreet will nun den Zugang zu diesem Markt verbessern: Anleger sollen mit niedrigeren Summen die Möglichkeit erhalten, sich auf den Private Markets zu beteiligen – und zwar, indem Vermögenswerte in kleine Einheiten, also in „Token“ geteilt und digital handelbar werden. Die kleinstmögliche Einstiegssumme beträgt aber immer noch 200.000 Euro.
Ein Gesellschafter des Start-ups ist Ex-Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. Er sagt dem Handelsblatt: „Die Tokenisierung von Finanzprodukten ist ein absoluter Zukunftstrend. Dabei werden große Vermögenswerte digitalisiert und in kleineren Einheiten handelbar gemacht.“
Dies sei auch für den Finanzstandort Deutschland wichtig, denn man müsse aufpassen, dass man nicht von den Entwicklungen auf ausländischen Märkten überholt werde, gibt Dombret zu bedenken. Dort arbeite man bereits an vielen Projekten zur besseren digitalen Handelbarkeit.
Mitgründerin Mona Feder sagt: „Bisher waren Investments in Private Equity oftmals erst in Millionenhöhe möglich. Tokenstreet bietet nun über Fonds und Investmentmanager – wie beispielsweise Hamilton Lane – die Möglichkeit, im Private-Wealth-Segment Beträge ab 200.000 Euro von vermögenden privaten Investoren einzusammeln.“
Mittels der Blockchain-Technologie würden zum Beispiel digitale Private-Equity-Anteile erstellt, versendet und in einer Datenbank so verwaltet, dass sie nachträglich nicht verändert werden könnten, erklärt Tokenstreet-CEO Vincent Amm.
Große strategische Bedeutung
Auch bei der Deutschen Börse hat man die Chancen der Digitalisierung für die Kleinanleger erkannt. „Durch die Tokenisierung von Anlageklassen wird das Universum an Investitionsmöglichkeiten für private und professionelle Anleger in den kommenden Jahren größer werden“, sagt Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer dem Handelsblatt.
„Investoren können sich so einfacher an Kunstwerken, Immobilien oder auch perspektivisch an Private-Equity-Engagements beteiligen.“ Der Aufbau von Plattformen, auf denen solche digitalen Assets gehandelt werden können, sei für die Deutsche Börse strategisch von großer Bedeutung.
Bereits seit 2021 entwickelt das Fintech 360X, an dem die Deutsche Börse maßgeblich beteiligt ist, Marktplätze, auf denen professionelle Investoren sogenannte Non-Fungible Tokens (NFTs) auf Blockchain-Basis handeln können. NFTs sind virtuell abgebildete Anteile üblicherweise nicht austauschbarer Güter. Dazu zählen beispielsweise Kunstwerke oder Musikstücke.
„Wir bauen darüber hinaus gemeinsam mit Google Cloud eine Plattform für digitale Assets auf“, ergänzt Weimer. „Dort sollen Investoren digitale Assets handeln und verwahren und sich gegen Risiken absichern können.“ Die Plattform soll sich für eine Vielzahl von Anlageklassen und Anwendungsfälle eignen, sowohl auf als auch außerhalb der Blockchain.
Kapital wird gebündelt und investiert
Das junge Technologieunternehmen Tokenstreet will das Kapital privater Anleger einsammeln und über Zubringerfonds („Feeder Fonds“) in milliardenschwere Zielfonds investieren. Der Token repräsentiert dabei die Beteiligung an dem jeweiligen Zielfonds und alle damit verbundenen Rechte und Ansprüche.
Die deutsche Finanzaufsicht Bafin weist auf Anfrage darauf hin, dass Anleger prüfen sollten, ob sie auch im Fall einer Insolvenz der Emittentin einen Anspruch auf eine 100-Prozent-Rückzahlung der von ihnen gehaltenen Tokens haben.
Anleger sollten sich ferner die Anzahl und Höhe der Gebühren genau anschauen. Durch die Tokenisierung der Fonds könnten eventuell zusätzliche Gebühren erhoben werden, die dann auf der Ebene der Emittentin der Tokens anfallen. Zusätzlich zu den laufenden Gebühren könne eventuell auch ein Ausgabeaufschlag von der Emittentin der Tokens erhoben werden, so die Bafin.
Tokenstreet will im Immobilienbereich starten. Im dritten Quartal soll mit einem großen Projektentwickler ein digitales Wertpapier mit einem Gesamtvolumen von über 25 Millionen Euro lanciert werden. Gerade private Anleger sollen dabei ins Boot geholt werden.
Anschließend will Tokenstreet seine Dienstleistungen für sogenannte Eltif-Produkte ausbauen. Das sind Fonds, die einer neuen EU-Verordnung entsprechen, die ab Januar 2024 in Kraft tritt und zum Beispiel Mindestbeteiligungen ganz aufhebt.
„Mit der Tokenstreet-Technik wird man auch einen Sekundärmarkt schaffen, auf dem Anteile alternativer Anlagen gehandelt werden können“, glaubt Tokenstreet-CEO Amm. Mit der Tokenisierung werde die Grundlage geschaffen, die Anteile an den Fonds vor dem Ende der Laufzeit zu übertragen.
Das ist beispielsweise für die Anlageklasse Private Equity nach Ansicht von Experten ein wichtiger Schritt, weil die Illiquidität zu den größten Nachteilen dieses Marktes zählt. Bislang sind Anleger oftmals über zehn Jahre oder mehr in den Investments gebunden und können nicht vorzeitig aussteigen – nur ein Punkt, bei dem sich die Finanzbranche durch die Digitalisierung bald ändern wird.
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