Köln Es waren eher Nachrichten der schlechten Sorte, mit denen der US-Bezahldienst Paypal zuletzt auffiel. Ende 2021 schaffte der kalifornische Finanzdienstleister die digitale Sammelbüchse Moneypool ab. Im Januar mehrten sich Berichte über Cyberbetrüger, die Paypal-Nutzern ihre Kontodaten entlocken wollten, auch der Verbraucherzentrale Bundesverband meldete für 2021 einen starken Anstieg der Verbraucherbeschwerden.
Der On-line-Marktplatz Ebay wendete sich als einst treuer Associate ab – und obendrein sank auch die Paypal-Aktie Anfang des Monats auf ein Zwölf-Monats-Tief. Wäre Paypal ein Kumpel, könnte er jetzt ein paar aufmunternde Worte vertragen.
Zum Beispiel diese: Das Vertrauen der Konsumenten in Deutschland hat all das Unbill offenbar nicht erschüttert. Im Gegenteil. Im Marken-Rating um das beste Preis-Leistungs-Verhältnis konnte sich innerhalb eines Jahres keine andere Marke so stark verbessern wie Paypal. Das ist das Ergebnis einer Verbraucherbefragung des Meinungsforschungsinstituts Yougov.
Gesamtsieger im Rating wurde der Discounter Aldi vor der Drogeriemarktkette dm. Auf dem dritten Platz rangiert mit Lidl ein weiterer Discounter. Paypal schaffte es im Gesamtranking auf Rang sieben.
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Das gute Abschneiden von Paypal geht einher mit dem Increase des Onlinehandels in der Pandemie. „Die Konsumenten haben Berührungsängste gegenüber Bezahldiensten abgebaut und bemerkt, dass diese Artwork zu bezahlen keine digitale Hürde darstellt“, sagt Yougov-Studienleiter Felix Leiendecker. Mit Klarna konnte sich ein weiterer digitaler Bezahldienst auf Platz zwei der Rangliste der stärksten Aufsteiger vorschieben.
Mit Blick auf die absoluten Werte liegen Paypal und Klarna in der Gesamtwertung damit vor der höchstplatzierten Financial institution ING. Die klassischen Geldhäuser haben generell mit der digitalen Konkurrenz zu kämpfen. „Im gleichen Maße wie On-line-Banken seit etwa zehn Jahren kontinuierlich in der Beurteilung des Preis-Leistungs-Verhältnisses zulegen, sacken Filialbanken ab“, sagt Leiendecker. Den Grund sieht er im Preisbewusstsein der Verbraucher, die die Gebühren der traditionellen Banken kritisch sehen.
Zwar könnten Filialbanken mit Beratungsleistungen punkten, etwa bei größeren Finanzierungsfragen. „Die aber sind für die meisten Verbraucher eher selten gefragt.“ Für das schnelle Bezahlen, noch dazu für Käufer meist gebührenfrei, böten On-line-Bezahldienste eine attraktive Different.
Der steile Aufstieg der Fintechs, zu denen auch Paypal und Klarna zählen, ist für Leiendecker dennoch ungewöhnlich. „Die Beurteilung des Preis-Leistungs-Verhältnisses einer Marke bauen Verbraucher über viele Jahre auf“, sagt er. „Nur einschneidende Ereignisse wie etwa der Dieselskandal bei Volkswagen können daran in kurzer Zeit maßgeblich etwas ändern.“ Als neue Einflussgröße hat offenbar die Coronakrise bei vielen Verbrauchern in Deutschland zu einem Umdenken geführt.
In diese Richtung deutet auch eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Roland Berger über Tendencies im Verbraucherverhalten. Ein zentrales Ergebnis: Vor allem das Preis-Leistungs-Verhältnis ist in den Augen der Verbraucher während der Pandemie wichtiger geworden. Gaben im Jahr 2020 noch 58 Prozent der Befragten an, dass dieses Kriterium für den Konsum nach der Covid-19-Krise an Bedeutung gewinnen werde, so waren es im Jahr darauf bereits 68 Prozent.
Kein anderer Aspekt wurde häufiger genannt. Erst auf den Plätzen zwei und drei folgen Qualität und Preis. Das Kriterium Qualität legte dabei von 45 Prozent auf 56 Prozent zu, die Bedeutung des Preises stagnierte. „Exklusivität und Einkaufserlebnis sind die Schlüsselfaktoren, mit denen Verbraucher wieder in die Geschäfte gelockt werden“, sagt Roland-Berger-Associate Thorsten de Boer.
Supermärkte setzen die Tendencies
Entsprechende Tendenzen sind auch im Lebensmitteleinzelhandel zu spüren: Qualität wird Kunden wichtiger. Das bereitet Discountern Schwierigkeiten, ihr Marktanteil schrumpft seit Jahren zugunsten von Supermärkten. 2019 lag der Discounter-Anteil gemessen am Umsatzvolumen noch bei 44,9, im Pandemiejahr 2020 sank er um 1,1 Punkte auf 43,8 Prozent.
„Während der Pandemie ist in Zeiten geschlossener Eating places das Qualitätsbewusstsein der Verbraucher für Lebensmittel gestiegen“, sagt Michael Gerling, Geschäftsführer des Forschungs- und Bildungsinstitut für den Handel EHI in Köln. Hinzu kommt: „Kunden haben wegen der geringeren Ansteckungsgefahr vornehmlich Geschäfte aufgesucht, die sämtliche Waren des täglichen Bedarfs führen.“
Diese Entwicklung konnte die Kundenurteile über das Preis-Leistungs-Verhältnis von Discountern allerdings kaum erschüttern. Schon seit vielen Jahren liegen Discounter bei Yougov in der Kundengunst weit vorne. „Marken wie Aldi und Lidl zehren von einem jahrzehntelang aufgebauten Picture“, sagt EHI-Experte Gerling. Aldi Süd startete jüngst eine Kampagne zu dem Thema auf der Social-Media-Plattform Tiktok mit den „Elevator Boys“, um auch ein jüngeres Publikum zu erreichen.
Gerling erwartet, dass Discounter die Qualität steigern werden, um wieder zuzulegen. „Wir beobachten seit Jahren ein Pingpong-Spiel“, sagt Gerling. „Supermärkte erweitern ihren Service, etwa mit Backstationen oder Regalen für regionale Produkte. Discounter legen dann mit ähnlichen Angeboten nach, woraufhin Supermärkte wiederum versuchen, mit weiteren Innovationen den alten Qualitätsabstand herzustellen.“
Momentan jedoch haben Discounter Mühe, Schritt zu halten. Das EHI sieht unter anderem die vermehrte Einführung von sogenannten SB-Kassen in Supermärkten als ein Abgrenzungskriterium. Etwa jeder zweite Kunde in Deutschland steht den neuen Systemen zum Selbstkassieren laut einer EHI-Umfrage offen gegenüber. „Vielen Discountern fehlt der Platz, um zusätzliche Terminals einzurichten“, sagt Gerling.
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