Frankfurt Der Plan ist radikal: Am Dienstag kommen die Anteilseigner des durch die Pandemie angeschlagenen Reisekonzerns Tui zusammen. Der wichtigste Tagesordnungspunkt der virtuellen Hauptversammlung: die Abstimmung über eine Herabsetzung des Kapitals im Verhältnis zehn zu eins. Danach will Tui das Kapital erhöhen – um bis zu 1,8 Milliarden Euro.
Vieles spricht dafür, dass die Aktionäre dem Vorhaben zustimmen werden. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass das Unternehmen seine Anteilseigner strapaziert. Es ist bereits die vierte Kapitalerhöhung innerhalb weniger Jahre. Gut zwei Milliarden Euro hat der Konzern so an Eigenkapital eingeholt.
Mit der aktuellen Maßnahme will das Management um Konzernchef Sebastian Ebel die Folgen der Pandemie abschütteln und die restliche Staatshilfe ablösen. Der Konzern hatte in mehreren Schritten 4,3 Milliarden Euro vom Staat zur Verfügung gestellt bekommen. Teilweise wurden Hilfen schon zurückgegeben.
Eine Kapitalherabsetzung hat erhebliche Folgen für die Aktionäre. Ihr relativer Anteil am Unternehmen bleibt zwar gleich, da bei allen Anteilseignern aus zehn Papieren eine Aktie wird. Auch hat die Zusammenlegung den Effekt, dass sich der Börsenwert der verbleibenden Aktien erhöht.
Doch wenn die Aktionäre verhindern wollen, dass ihr relativer Anteil bei der anschließenden Kapitalerhöhung verwässert wird, müssen sie entsprechend neue Aktien kaufen. Tui plant sogenannte Bezugsrechtskapitalerhöhungen. Die sichern den Bestandsaktionären das Privileg zu, die neuen Aktien zuerst zu erwerben.
Obwohl der Konzern die Anteilseigner also erneut um Geld bittet, werden diese Ebel wahrscheinlich folgen – notgedrungen, wie das Statement der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zeigt. Zwar wollen sich die Aktionärsschützer bei den entscheidenden Tagesordnungspunkten enthalten. „Diese Kapitalmaßnahmen sind bedauerlich“, heißt es bei der Organisation: „Sie sind aber leider wohl erforderlich, um das Unternehmen auf der Kapitalseite wieder sicher aufstellen zu können.“
Großaktionär Mordaschow darf nicht mitstimmen
Ähnlich argumentiert die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK): „Die mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds abgeschlossene Rückführungsvereinbarung der staatlichen Hilfe erscheint sinnvoll.“ Die dafür vorgeschlagenen Maßnahmen seien zielführend.
Auch Stimmrechtsberater empfehlen die Zustimmung, ist in Finanzkreisen zu hören. Der größte Aktionär, der russische Oligarch Alexej Mordaschow, darf wiederum nicht mitstimmen. Seine Anteile sind wegen der Sanktionen eingefroren. Auch bei der Kapitalerhöhung kann er nicht mitmachen, weshalb sein bisheriger Anteil von gut 30 Prozent deutlich schrumpfen wird.
Dass es wohl keinen Aufstand der Aktionäre geben wird, dürfte nicht zuletzt einen Grund haben. Bisher hat der Staat das Recht, Teile der Staatshilfen in Aktien zu wandeln. Die damit verbundene Gefahr einer Verwässerung der Anteile ist gebannt, sollten alle Kapitalmaßnahmen wie geplant umgesetzt werden. Denn der Staat ist dann nicht mehr bei Tui engagiert.
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Doch das hat seinen Preis. Bis zu einer Milliarde Euro wird gebraucht, die stille Einlage sowie eine Wandelanleihe des Staates zurückzuzahlen. Zinsen und ein Entgelt für den Wandlungsverzicht des Staates sind hier eingerechnet. Dazu kommen weitere 800 Millionen Euro, um Kredite der Staatsbank KfW abzulösen. Für die geplante Kapitalerhöhung braucht das Unternehmen keine Zustimmung der Aktionäre, sie ist durch mehrere Vorratsbeschlüsse gedeckt.
Das Management des Reisekonzerns sendet optimistische Signale.
(Foto: TUI)
Vielleicht setzt der eine oder andere Aktionär mit seiner Zustimmung aber auch auf den Optimismus des Managements. Zuletzt liefen die Geschäfte des Reisekonzerns wieder gut. In dem Ende September ausgelaufenen Fiskaljahr erzielte das Unternehmen ein bereinigtes operatives Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 409 Millionen Euro bei einem Umsatz von 16,5 Milliarden Euro. Ein Geschäftsjahr zuvor hatte Tui noch einen Betriebsverlust von zwei Milliarden Euro verzeichnet.
Zuletzt hatte der Konzernvorstand um Ebel zwar keine Prognose für die kommenden Monate gewagt. Doch zum einen liegen die Vorausbuchungen schon fast wieder auf dem Vorkrisenniveau. Zum anderen sind die Kunden ungeachtet der hohen Inflation dazu bereit, mehr für ihren Urlaub auszugeben.
Urlauber geben mehr Geld aus
Die Reisen werden etwas länger, zudem buchen viele höhere Reisekategorien. Nach letzten Angaben des Managements lag der durchschnittliche Verkaufspreis in der aktuellen Wintersaison um 28 Prozent über dem des vergleichbaren Vorjahreszeitraums. Tui-Chef Ebel geht allerdings davon aus, dass sich diese Entwicklung wieder etwas normalisieren wird.
Gleichzeitig will Tui neue Kunden erreichen – etwa über die Sparte Tui Musement, die den Kunden Touren und Aktivitäten anbietet. Die Idee dahinter: Die Menschen planen ihren Urlaub immer häufiger danach, was sie unternehmen wollen, nicht mehr danach, wohin die Reise gehen soll. Soll es zum Beispiel ein Tauchurlaub sein, stößt der Kunde idealerweise sofort auf entsprechende Kurse von Tui und bucht dort auch den Rest der Reise. Dazu will Tui die digitalen Möglichkeiten bei der Urlaubsplanung deutlich ausbauen.
Unmittelbar vor der Hauptversammlung wird Tui zudem seine Zahlen für das erste Quartal berichten. Dann haben die Anteilseigner eine weitere Orientierung, wohin der Touristikriese steuert.
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