Berlin Alles war vorbereitet, das Besuchsprogramm arrangiert. Am Dienstagabend wollte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nach Peking fliegen, um seinen Amtskollegen Liu Kun zu treffen. Doch dann traf eine überraschende Nachricht aus Peking ein: Die chinesische Seite habe gebeten, das Treffen aus Termingründen zu verschieben, teilte das Bundesfinanzministerium am Montag mit.
Eine solch kurzfristige Absage eines lange vorbereiten Regierungsbesuchs ist höchst ungewöhnlich. Und so rätselt man in Berlin: Sind es wirklich Terminschwierigkeiten, oder was steckt hinter der Ausladung Lindners?
Der Reise wurde im Bundesfinanzministerium große Bedeutung beigemessen. Es wäre das erste persönliche Treffen mit Liu Kun. Lindner selbst hatte die Idee, seine Reise zum Treffen der G7-Finanzminister in Japan mit einem Zwischenstopp in Peking zu verbinden.
Das Treffen Lindners mit seinem Amtskollegen sollte auch zur Vorbereitung der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin am 20. Juni dienen. Die spontane Ausladung steht im Kontrast zu den jüngsten Bemühungen der chinesischen Staatsführung um ein gutes Verhältnis zu Deutschland.
So war der Ton bei den Gesprächen von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei ihrer Reise nach China mit ihrem chinesischen Amtskollegen Qin Gang im April zwar durchaus rau gewesen.
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Allerdings wurden die folgenden Termin Baerbocks mit Chinas obersten Außenpolitiker Wang Yi und dem noch höherrangigen Vizepräsidenten Han Zheng nicht abgesagt. In dieser Woche wird Qin Gang zu Gesprächen in Deutschland, Frankreich und Norwegen erwartet, wie das chinesische Außenministerium am Montag mitteilte. Am Dienstag wird er seine Amtskollegin Baerbock in Berlin treffen.
Peking verärgert wegen Taiwan-Reise
Grund für die spontane Absage der Reise Lindners könnte etwa der Besuch von FDP-Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger in Taiwan Ende März sein. Stark-Watzinger war nach 26 Jahren die erste Bundesministerin, die nach Taiwan gereist war.
Die Reaktion der chinesischen Staatsführung war bislang, abgesehen von einem verärgerten Statement, allerdings im Rahmen dessen geblieben, was man für chinesische Verhältnisse als moderat bewerten kann.
Die Führung in Peking hatte verärgert auf die Reise der FDP-Ministerin reagiert.
(Foto: AP)
Auch Lindners Kritik an der andauernden chinesischen Unterstützung für Russland könnte hinter dem Affront stecken. Während des Treffens der Finanzminister aus den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern (G20) äußerte Lindner Ende Februar seinen Unmut auch öffentlich: „Hier zeigt sich eine Verschiebung der chinesischen Haltung, die man sehr bedauern muss.“
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Kurz danach begannen die Vorbereitungen für Lindners Besuch in Peking, bis zum Wochenende war man im Finanzministerium damit beschäftigt. Entsprechend groß ist nun die Verwunderung über die Absage.
FDP in Peking: Termine abgesagt, 30 Minuten angebrüllt
Lindner hat allerdings schon Erfahrungen damit, dass China-Reisen Ärger bedeuten können. Bei seinem letzten Besuch im Jahr 2019, damals als FDP-Chef, war es zum Eklat gekommen. In letzter Minute wurden damals fast alle Termine der FDP-Delegation in Peking abgesagt. Zu der Zeit befanden sich die Liberalen noch in der Opposition.
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Die Reisegruppe rund um den Vorsitzenden bestand unter anderem aus Johannes Vogel, heute erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai, heute FDP-Generalsekretär, sowie Konstantin Kuhle, heute Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion.
Auch damals war von „Terminschwierigkeiten“ die Rede. Ein Termin mit einem Funktionär der Kommunistischen Partei Chinas wurde zwar aufrechterhalten, doch der schrie die Delegation um FDP-Chef Linder laut Angaben aus Teilnehmerkreisen rund 30 Minuten lang nur an. Das Thema: Hongkong.
Die Delegation hatte sich die feindliche Atmosphäre bei ihrem Besuch in China damals damit erklärt, dass sie zuerst nach Hongkong gereist war, bevor sie nach Festland-China weiterzog. Allerdings war China von der Reihenfolge lange informiert. Insofern dürften die kurzfristigen Absagen ebenfalls kalkuliert gewesen sein.
Zum Zeitpunkt der Reise der FDP-Delegation sah sich die chinesische Regierung mit massiven Protesten in der Sonderverwaltungszone konfrontiert.
(Foto: dpa)
Zur damaligen Zeit hatte es in Hongkong umfassende Proteste gegen ein geplantes Gesetz gegeben, das es möglich machen sollte, Gefangene aus Hongkong an China auszuliefern. Peking warf den FDP-Politikern vor, die Protestierenden mit dem Besuch zu unterstützen. Die Delegation hatte sich in Hongkong auch mit Oppositionsabgeordneten der Democratic Party getroffen.
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Der Eklat im Jahr 2019 ist in der FDP-Führung bis heute Gesprächsthema, wenn es um China geht. Wie auch die Grünen gelten die Liberalen als chinakritisch. In einem Papier hatte die FDP-Fraktion klare Worte gefunden. So sei China mit Blick auf den Taiwankonflikt potenziell auch für den Weltfrieden eine Gefahr, hieß es darin. Die Liberalen stellen sich gegen eine vollständige Entkopplung von China, wollen aber, dass die deutsche Wirtschaft zu große Abhängigkeiten abbaut.
Man wisse nicht, ob die kurzfristige Ausladung Lindners mit der Position der FDP zu tun habe, heißt es aus dem Finanzministerium. Klar sei aber, dass sich die Positionierung dadurch nicht ändern werde.
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