München Adidas startet noch im Mai mit dem Verkauf der verbliebenen „Yeezy”-Schuhe aus der gestoppten Kooperation mit dem US-Skandalrapper Kanye West. Man werde von dem Erlös „einen signifikanten Betrag an ausgewählte Organisationen spenden, die sich gegen Diskriminierung und Hass, einschließlich Rassismus und Antisemitismus, einsetzen“, teilte Adidas am Freitagabend mit.
„Hass jeglicher Art hat im Sport und in der Gesellschaft keinen Platz, und wir setzen uns weiterhin für den Kapf dagegen ein“, sagte Gulden nun. Verkaufen und Spenden sei bei allen Organisationen und Stakeholdern nach reiflicher Überlegung die bevorzugte Option gewesen. Daher habe man sich entschlossen, mit dem Verkauf eines Teils der verbleibenden Produkte zu beginnen.
Der Teilverkauf soll noch Ende Mai starten. Die Schuhe sollen exklusiv über Adidas-Kanäle veräußert werden.
Ob und wann man dann weitere Ware aus dem Lagerbestand auf den Markt bringe, prüfe man derzeit. Teile des Erlöses sollen unter anderem an die Anti-Defamation League (ADL) und das Philonise & Keeta Floyd Institute for Social Change gespendet werden.
ADL-CEO Jonathan Greenblatt sagte laut Mitteilung: „In einer Zeit, in der Antisemitismus in den USA ein historisches Niveau erreicht hat und weltweit zunimmt, schätzen wir es, wie Adidas eine negative Situation in ein sehr positives Ergebnis verwandelt hat.“ Das Unternehmen habe Umsicht bewiesen, „indem es sich mit Gemeinschaftsorganisationen zusammengetan hat, die sich für die Bekämpfung dieses bösartigen und hartnäckigen Hasses einsetzen“.
Auch im laufenden Jahr fehlen die „Yeezy”-Umsätze
Nach der Entscheidung über den Verkauf der Schuhe kann sich Adidas nun stärker auf die Restrukturierung konzentrieren. Im vergangenen Jahr stiegen die Erlöse des Konzerns deutlich schwächer als prognostiziert nur um ein Prozent auf 22,5 Milliarden Euro, der Gewinn brach massiv ein. Vorstandschef Kasper Rorsted musste gehen.
Der Adidas-Chef glaubt nicht, dass neue Kooperationen den „Yeezy“-Ausfall so bald kompensieren können.
(Foto: Reuters)
Doch auch im laufenden Jahr fehlen die Umsätze aus dem Verkauf neuer „Yeezy“-Produkte. Vor allem deshalb stagnierten die Adidas-Umsätze im ersten Quartal nur bei 5,3 Milliarden Euro, während die Konkurrenten Nike und Puma kräftig zulegten. Durch den Verkauf der vorproduzierten Ware wird der Effekt nun aber etwas geringer ausfallen als befürchtet.
Gulden hat bereits klargestellt, dass wohl keine Kooperation mit einem anderen Künstler die „Yeezy”-Ausfälle komplett kompensieren könne. Da muss der Konzern auf mehrere erfolgreiche Projekte hoffen.
„Vielleicht der kreativste Mensch in unserer Industrie“
Die Zusammenarbeit mit Kanye West, der sich inzwischen auch Ye nennt, war eine der erfolgreichsten Kooperationen in der Sportartikelindustrie. In guten Zeiten erzielte Adidas mit den „Yeezy”-Produkten weit mehr als eine Milliarde Euro Umsatz im Jahr. West sei „vielleicht der kreativste Mensch, der in unserer Industrie gearbeitet hat“, sagte Gulden.
Nach antisemitischen Äußerungen hat Adidas die Zusammenarbeit mit dem US-Künstler gestoppt, der sich auch Ye nennt.
(Foto: AP)
Auch deshalb tat sich der Konzern womöglich schwer damit, die Zusammenarbeit frühzeitig zu beenden. Andere Unternehmen wie zum Beispiel Gap hatten schneller als Adidas reagiert.
Dafür gab es Kritik von Investoren. „Hier ging es nicht um irgendeine bedeutungslose Äußerung, sondern um antisemitische und rassistische Reden Ihres auch in den sozialen Medien enorm einflussreichen ehemaligen Markenbotschafters“, sagte Ines Straubinger von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Adidas habe nicht schnell genug reagiert.
In einer anonymen Mail, die wohl von ehemaligen Mitarbeitern geschrieben wurde, wurde Adidas zudem vorgeworfen, Manager des Konzerns hätten schon früh von weiteren Eskapaden Wests erfahren, aber nicht eingegriffen. In den USA haben Investoren deswegen eine Klage gegen den Konzern eingereicht. Laut Aufsichtsratschef Thomas Rabe haben sich die Vorwürfe in einer internen Untersuchung aber „nicht substanziiert“.
Keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Prognose für das laufende Geschäftsjahr
Der Konzern hatte bislang mit Umsatzeinbußen von 1,2 Milliarden Euro und einer Ergebnisbelastung von 500 Millionen Euro gerechnet, wenn sich der Bestand nicht verkaufen lässt. Die konkreten Folgen des Teilverkaufs bezifferte Adidas nun nicht. Die Ankündigung habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf die aktuell Prognose.
West hatte in den vergangenen Jahren immer wieder mit radikalen Äußerungen provoziert. So erschien er mit der rechten schwarzen Influencerin Candace Owens auf der Pariser Fashion Week. Beide trugen Pullover mit der Aufschrift „White Lives Matter“ – eine bewusste Abgrenzung gegen „Black Lives Matter“.
In einem Interview mit dem ultrakonservativen Sender Fox News machte der Musiker anschließend die schwarze Sängerin Lizzo für „den Völkermord an der schwarzen Rasse“ verantwortlich. Seine antisemitischen Drohungen in den sozialen Medien, „Death con 3“ auf „jüdische Menschen“ zu gehen, führten schließlich dazu, dass er gesperrt wurde. „Defcon 3“, auf das er anspielt, ist ein Code für einen erhöhten Alarmstatus, der vom US-Militär verwendet wird.
Nach eigenen Angaben wurde bei Kanye West eine bipolare Störung diagnostiziert, eine psychische Erkrankung, bei der Betroffene zwischen euphorischen und depressiven Zuständen schwanken.
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