Die Ampel ist so unbeliebt wie nie, die AfD stark. Gesundheitsminister Karl Lauterbach will deswegen jetzt einen ungewöhnlichen Schritt gehen.
Seine Beliebtheit in den sozialen Medien hat ihm ins Amt verholfen, jetzt will er sie zum Kampf gegen die AfD nutzen: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant, was kein anderer Minister bisher wagt. Er will künftig auf der hochumstrittenen Plattform TikTok präsent sein.
Ein Gespräch über neue Kommunikationswege, alte Rivalen und sterbende Krankenhäuser.
t-online: Herr Lauterbach, wichtige Gesetzentwürfe der Ampel hängen fest, die Koalition ist unbeliebt wie nie. Wie ist die Laune bei Kabinettssitzungen zurzeit?
Karl Lauterbach: Damit die Stimmung nicht schlechter wird, sollte man Ausplaudereien aus internen Sitzungen vermeiden. Daran halte ich mich. Und mein Ministerium hat derzeit sechs sehr wichtige Gesetze in der Kabinettsabstimmung – da hängt nichts. Im Gesundheitsressort arbeitet die Ampel einigermaßen wie ein Uhrwerk.
Bei Ihnen stellen sich nicht die Koalitionskollegen quer, es hängt in der Regel an den Bundesländern.
Aber auch da geht es voran. Wir haben gerade erst das Krankenhaus-Transparenzgesetz durch den Vermittlungsausschuss des Bundesrats gebracht …
Darüber sprechen wir später noch. Die Bürger sind trotzdem unzufrieden mit der Ampel. Können Sie das nachvollziehen?
Natürlich. Wir haben erhebliche Kommunikationsprobleme. Wir leisten viel, aber vermitteln das nicht gut an die Menschen. Das nutzen die Populisten von der AfD geschickt aus. Und die Union lässt sich bereitwillig von ihnen treiben. Wenn es so weitergeht, macht sich die Union zur Exekutive der AfD.
Der Streit der Ampel ist aber Wasser auf die Mühlen der AfD. Sie schneidet in Umfragen weiter hervorragend ab und ist gerade auch bei jungen Menschen erfolgreich. Was wollen Sie dem entgegensetzen?
Gute Politik. Und gute Kommunikation. Dabei dürfen wir einflussreiche soziale Medien nicht der AfD überlassen. Ich werde jetzt sogar anfangen, TikTok zu nutzen. Ich werde versuchen, dort auch ein gutes Gegengewicht zur AfD bilden. Über TikTok erreicht man besonders junge Menschen sehr gut. Das Medium ist eine besondere Herausforderung, aber auch eine große Chance.
TikTok ist ein reines Videoportal, die Produktion der Inhalte aufwendiger als bei dem Kurznachrichtendienst X. Haben Sie dafür die Zeit?
Ich bin ein eher erfahrener Nutzer sozialer Medien, mich wird das zeitlich nicht belasten. Auf X, Instagram und Facebook zusammen erreiche ich schon jetzt fast 1,4 Millionen Follower. Und ich arbeite ohnehin viel im Ministerium, da kommt es auf die paar Minuten nicht an.
Aber TikTok gilt als hohes Sicherheitsrisiko, die Angst vor Spionage durch die chinesische Regierung ist groß. Die Ministerinnen Faeser und Stark-Watzinger warnen vor der App. Wissen sie schon Bescheid über Ihre Pläne?
Ich kenne mich mit Datensicherheit und Digitalisierung gut aus und treffe entsprechende Vorkehrungen.
Aber wie soll das praktisch laufen? Im EU-Parlament, in den USA und Kanada ist Regierungsmitarbeitern die App streng verboten. Auch in deutschen Ministerien ist sie auf Dienstgeräten untersagt.
Das ist mir bekannt. Und ich werde definitiv kein Diensthandy dafür nutzen.
Die AfD ist auf TikTok enorm erfolgreich. Mit welchen Inhalten wollen Sie punkten?
Zum Beispiel möchte ich jungen Leuten erklären, was wir eigentlich machen – und zwar in einer Sprache, die sie verstehen. Wir machen derzeit sehr viel für Pflegekräfte: Wir haben die Löhne deutlich gesteigert, verbessern die Arbeitsbedingungen, machen den Beruf insgesamt attraktiver, indem wir die Kompetenzen von Pflegekräften stark erweitern. Das spricht natürlich junge Leute an, die sich für den Beruf interessieren oder dort bereits arbeiten. Oder Cannabis – das interessiert junge Leute brennend.