Als es in der Regierungsbefragung um die Taurus-Lieferung geht, wird aus Scholz‘ Standhaftigkeit Trotz. Damit schadet er sich und seinem Anliegen.
Es ist in der Regel nichts Schlechtes, wenn Politiker standhaft sind. Im Gegenteil, vielen wird vorgeworfen, nicht standhaft genug zu sein – Markus Söder zum Beispiel. Der bayerische Ministerpräsident passt seine Positionen regelmäßig der öffentlichen Stimmung an. Aber Olaf Scholz? Steht eigentlich nicht im Verdacht, seine Haltung zu häufig zu ändern. Zu zögern, klar. Erst mal Zweifel zu äußern, auch. Aber dann grundlegend die Meinung zu ändern? Eher nicht.
Eigentlich gehört Besonnenheit zu den Stärken des Kanzlers. Gerade, wenn es um die Ukraine ging, wirkten Scholz‘ Entscheidungen in der Vergangenheit oft sogar wohlüberlegt statt getrieben. Geht es um Krieg und Frieden, hat keiner etwas von überstürzten Handlungen. Dass der Kanzler oft erst einmal abwartete, nicht im Alleingang, sondern mit Partnern, wie den USA, gemeinsam handelte, war also richtig.
Aber: Schwierig wird es dann, wenn aus Standhaftigkeit purer Trotz wird. Und genau das ist an diesem Mittwoch im Bundestag passiert.
Dafür bekommt Scholz nicht mal in der eigenen Koalition Applaus
Es war die erste Regierungserklärung des Kanzlers in diesem Jahr. Er hätte sie nutzen können. Hätte klare Ansagen machen und sich erklären können. Wer weiß, vielleicht hätten die Menschen verstanden, warum der Kanzler daran festhält, auch weiterhin keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. Scholz hätte das Thema dann abhaken können.
Stattdessen beschloss er, an diesem Mittwoch den mittlerweile klassischen Scholz zu geben: genervt, trotzig und (natürlich) besserwisserisch.
Zu Beginn zählt Scholz erst einmal die jüngsten Errungenschaften der Ampel auf: den Bürokratieabbau, das Rentenpaket. Dann sagt er: „Ich will auch gerne den Stier bei den Hörnern packen.“ Gemeint sind die Taurus-Lieferungen an die Ukraine. Scholz erklärt noch einmal, warum er sie für falsch hält. Er wiederholt, was er seit Wochen predigt: „Besonnenheit ist nicht etwas, was man als Schwäche qualifizieren kann, wie einige das tun. Sondern Besonnenheit ist das, worauf die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land einen Anspruch haben.“ Dazu gehöre, dass für ihn ausgeschlossen sei, „bei weitreichenden Waffensystemen solche zu liefern, die nur sinnvoll geliefert werden können, wenn sie auch mit dem Einsatz deutscher Soldaten – auch außerhalb der Ukraine – verbunden wären“.
Die Argumente sind so schwach, dass selbst in der eigenen Koalition kaum einer für Scholz klatscht. In den Reihen von FDP und Grünen gehen die Blicke nach unten. Die meisten starren auf ihr Handy oder den Boden.
Auf die Union reagiert Scholz gereizt
Als die Union nachkeilt, reagiert Scholz genervt und weicht aus. Was denn nun genau der Grund dafür sei, dass Scholz Taurus-Lieferungen verweigere, will der CDU-Politiker Johann Wadephul wissen. Scholz verdreht die Augen, wirft der Union vor „Halbwahrheiten“ zu verbreiten und wiederholt das bereits Gesagte.
Statt souverän und klar zu antworten, springt der Kanzler während der Debatte über jedes Stöckchen, das ihm die Opposition hinhält. Er klammert vielmehr an seiner Haltung, als dass er sie erklärt.
Als Norbert Röttgen an der Reihe ist, fährt Scholz fast aus der Haut: „Mein lieber Norbert, dass du alles weißt und eine öffentliche Kommunikation betreibst, die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches ist“, wirft der Kanzler dem CDU-Außenpolitiker vor. Röttgen verzieht das Gesicht, runzelt leicht die Stirn, bleibt allerdings ruhig. Der einzige, der ausnahmsweise keine Ruhe mehr hat, ist Olaf Scholz.
Am Ende ist es ein schwacher, defensiver Auftritt des Kanzlers – und ein Punkt für die Opposition. Denn es geht nicht nur darum, ob der Kanzler nun Taurus-Marschflugkörper liefern will oder nicht. Vielmehr wäre für es Scholz wichtig gewesen, seine Kritiker davon zu überzeugen, dass seine Argumente glaubwürdig sind. Gerade nach der Veröffentlichung eines abgehörten Gesprächs von Bundeswehroffizieren über Taurus durch russische Staatsmedien sind in den vergangenen Tagen die Zweifel daran gewachsen. Doch die Chance hat der Kanzler heute vertan.