Mit dem Homeoffice-Trend stehen viele Büros leer, zugleich werden dringend Wohnungen gebraucht. Experten sehen viel Potenzial für Umwidmungen – aber auch Probleme.
In vielen deutschen Städten herrscht akuter Wohnungsmangel. Gleichzeitig stehen immer mehr Büros leer, auch weil immer mehr Menschen im Homeoffice arbeiten. Eine neue Studie zeigt nun: Der Umbau von leer stehenden Büros könnte den Wohnungsmangel in Metropolen spürbar lindern. Ungenutzte Büroflächen bieten das Potenzial für rund 11.300 Wohnungen in den sieben größten Städten Deutschlands. Das haben Berechnungen des Immobilienspezialisten Jones Lang LaSalle (JLL) ergeben, die der dpa vorliegen.
„Der aktuelle Wohnungsbedarf in den sieben Metropolen könnte mit der Umwandlung von Büros zu rund einem Fünftel gedeckt werden“, sagt Helge Scheunemann, Research-Experte bei JLL Deutschland. In manchen Städten lasse sich ein besonders hoher Teil des Bedarfs stillen, etwa in Düsseldorf (57 Prozent), Stuttgart (51) und Frankfurt (34). Dort gebe es viele zum Umbau geeignete Büroflächen, anders als etwa in Berlin.
Frankfurt zeigt das Potenzial auf
Auch die Bundesarchitektenkammer drängt darauf, die Chancen von Umwandlungen besser zu nutzen. Doch nicht alle Bürostandorte eignen sich als Wohnviertel und die architektonischen Hürden sind vergleichsweise hoch. Bisher spielten Umwidmungen zu Wohnungen eine vergleichsweise kleine Rolle, so JLL.
Eine Ausnahme ist Frankfurt: Dort habe sich in den vergangenen 15 Jahren die Zahl der Büroumbauten mehr als verdoppelt. In Frankfurt seien in den nächsten vier Jahren zudem 1.200 Wohneinheiten aus Büroumwandlungen geplant, sagt Scheunemann. „Hier gibt es viele Flächen in alten Bürotürmen, die sich zur Umwandlung in Wohnungen eignen, da ihre quadratischen Grundrisse einen natürlichen Lichteinfall bieten.“ Doch auch anderswo gebe es ungenutztes Potenzial. „Das Thema hat an Fahrt aufgenommen.“
Schätzungen: 600.000 Wohnungen fehlen
Denn mit dem Trend zum Homeoffice stehen viele Büroflächen leer, Unternehmen trennen sich von Flächen. JLL zufolge summierte sich der Büroleerstand in den sieben Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf Ende 2023 auf rund 5,64 Millionen Quadratmeter, davon 2,68 Millionen abseits gefragter A-Lagen, wo eine Wiedervermietung relativ leicht ist.
Auf der anderen Seite ist der Wohnungsmangel in Deutschland groß. Nach Einschätzung des Zentralen Immobilienverbands (ZIA) fehlen dieses Jahr 600.000 Wohnungen, 2027 könnten es 830.000 sein. Wegen der gestiegenen Zinsen und Baukosten steckt der Wohnungsbau in der Krise. Warum also werden nicht mehr leere Büros in Wohnungen umgewandelt?
Kosten- und Umweltvorteile – aber viele praktische Hürden
„Bürostandorte sind nicht gleich Wohnstandorte“, erklärt JLL-Experte Scheunemann. Nötig sei etwa die Anbindung an Schulen, Nahverkehr, Kindergärten, Geschäfte und Parks. Außerdem sind Umwidmungen wegen der gestiegenen Baukosten teuer und aufwendig. So gibt es eine Reihe architektonischer Hürden wie die Deckenhöhe und geeignete Grundrisse, sagt Scheunemann. Oft sei mangelnder Lichteinfall bei großen, tiefen Flächen ein Problem oder die Frage, ob an der Fassade Balkone angebracht werden könnten.
Dafür locken einige Vorteile: So liegen die Kosten für die Umnutzung von Büros zu Wohnraum in den Metropolen nach früheren Angaben von JLL rund 50 Prozent niedriger als im Neubau. Zudem seien die CO2-Emissionen bei Sanierungen deutlich geringer – denn der Rohbau oder die Gebäudehülle stünden ja schon. Und neue Flächen würden auch nicht gebraucht.
Bauministerin Geywitz sieht Potenzial
Auch die Bundesregierung sieht das Potenzial. Über das Programm „Gewerbe zu Wohnen“ sollen Kauf und Umbau von Gewerbegebäuden zu Wohnungen mit 120 Millionen Euro bezuschusst werden. „Wir haben heutzutage sehr viele leer stehende Büros, sehr viele leer stehende Ladenlokale, und das ist ein gutes Potenzial, was man auch ohne Nachverdichtung von zusätzlicher Fläche geben kann“, sagte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) kürzlich.
Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, mahnt angesichts der Krise im Wohnbau, alle Potenziale auszuschöpfen – seien es Aufstockungen, Nachverdichtungen oder eben der Umbau von Büros, alten Fabriken oder Handelsimmobilien. „Es geht um die gemischte Stadt, viele Ansätze sind da.“ Auch unter Bauherren tue sich etwas. „Manche hatten Pläne für Gewerbeobjekte und kommen jetzt auf uns zu und wollen Teile davon in Wohnungen umwandeln.“
Fehlende Anreize für Eigentümer
Doch die Architektur von Büros unterscheide sich komplett von Wohnungen, sagt Gebhard. „Während Büros großflächig geplant sind, sind Wohnungen kleinteilig gedacht.“ Bei einer Umwandlung müssten jeweils getrennte Zugänge, Sanitäranlagen und Belüftungen geschaffen werden. Grundsätzlich gelte: Je größer und tiefer die Grundfläche, desto schwieriger werde der Lichteinfall.