Die Mitglieder des Europäischen Parlaments genießen weitgehende Immunität vor Strafverfolgung, selbst wenn sich die Vorwürfe auf Straftaten beziehen, die vor ihrer Wahl begangen wurden.
Die italienische Antifa-Aktivistin Ilaria Salis wurde am Freitag aus dem Hausarrest in Budapest entlassen, nachdem sie für die Grün-Links-Allianz (AVS) zur Abgeordneten des Europäischen Parlaments gewählt worden war.
Laut Angaben ihres Anwalts nahm die Polizei Salis in der ungarischen Hauptstadt Budapest die elektronische Fußfessel ab. Ihr Vater soll sie im Laufe des Tages nach Italien zurückbringen.
In Ungarn wurde sie wegen versuchten Mordes angeklagt, nachdem sie einer Gruppe von Antifaschisten angehört hatte, die beschuldigt wurden, Personen angegriffen zu haben, die ihrer Meinung nach mit dem rechtsextremen Ehrentag im vergangenen Jahr in Verbindung standen.
Bei der Veranstaltung, die jedes Jahr am 11. Februar stattfindet, erinnern rechtsextreme Aktivisten an den gescheiterten Ausbruchsversuch ungarischer Soldaten der Nazis und ihrer Verbündeten aus Budapest während der Belagerung durch die Rote Armee im Jahr 1945.
Die mutmaßlichen Opfer des Angriffs haben Berichten zufolge keine Anzeige bei der Polizei erstattet.
Die 39-Jährige war bereits mehrmals an einer Kette und mit Hand- und Fußfesseln vor Gericht erschienen, was in Italien für Entsetzen und Proteste gesorgt hatte, obwohl Budapest erklärte, dies sei für seine Gefangenen das Standardverfahren.
Nach einem öffentlichen Aufschrei bestellte Rom den ungarischen Botschafter ein und sorgte im Mai schließlich dafür, dass sie unter Hausarrest gestellt wurde.
Ihr Vater Roberta Salis drückte seine Freude darüber aus, dass sie bei den gerade beendeten EU-Wahlen den Sitz im Europäischen Parlament gewonnen hatte. „Wir sind sehr glücklich über die Wahl“, sagte er Euronews.
Vor den Wahlen hatte Salis‘ Vater mehrfach seine Bedenken geäußert und erklärt, dass Salis wegen versuchten Mordes eine Gefängnisstrafe von bis zu 24 Jahren bevorstehe.
Der ungarische Staatsanwalt hatte eine Gefängnisstrafe von elf Jahren gefordert.
Politisch sensibles Thema löste in Italien öffentlichen Aufschrei aus
Das politisch heikle Thema berührte die langjährige Beziehung zwischen Italiens rechtsgerichteter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihrem ungarischen Amtskollegen Viktor Orbán.
Die ungarische Regierung verteidigte wiederholt ihren Umgang mit der inhaftierten italienischen Aktivistin, nachdem ihre Bilder in Ketten und Fußfesseln auch zu offiziellen Protesten der italienischen Regierung geführt hatten.
Für die rechtsextreme Regierung von Giorgia Meloni, die freundschaftliche Beziehungen zu Orbán aufgebaut hat, war der Fall ein heikler.
Die italienischen Politiker Angelo Bonelli und Nicola Fratoianni – die beschlossen, Salis als Kandidaten auf den Listen der Grünen und der Linksallianz für die EU-Wahl aufzustellen – sagten, sie seien „glücklich und noch mehr von unserer Wahl überzeugt“.
„Jetzt, nach diesem ersten Sieg, der für sie und uns alle so wichtig ist, wollen wir sie nach Italien und dann als Europaabgeordnete nach Brüssel zurückholen“, sagten sie.
Mitglieder des Parlaments der Europäischen Union genießen weitgehende Immunität vor Strafverfolgung, selbst wenn sich die Vorwürfe auf Straftaten beziehen, die vor ihrer Wahl begangen wurden.
