Wird er zum neuen Staatspräsidenten gewählt oder bleibt er doch im aktuellen Amt?
(Foto: laif/CAMERA PRESS/Pierdomenico/P)
Rom Während ganz Europa Richtung Ukraine schaut, steht im Herzen des Kontinents eine Schicksalswahl an: Ab Montag wählt Italien einen neuen Staatspräsidenten. In normalen Zeiten wäre das eher weniger bedeutsam, geht es doch nur um ein repräsentatives Amt. Doch dieses Mal hängt daran die Stabilität des gesamten Landes – und damit auch der Euro-Zone.
Denn als Favorit für das höchste Staatsamt gilt ausgerechnet jener Mann, der Italien innerhalb eines Jahres vom Euro-Wackelkandidaten zum stabilen Companion gemacht hat, zum Vorzeigeland beim Impfen, zum Wachstumsmotor der EU, dem die Märkte wieder vertrauen: Premier Mario Draghi.
Wechselt Draghi aber ins Präsidentenamt, könnte im Gerangel um den frei werdenden Premierposten die derzeit regierende „Koalition der nationalen Einheit“ zerbrechen. Im schlimmsten Fall drohen der achtgrößten Volkswirtschaft der Welt dann vorgezogene Neuwahlen, bei denen rechte Populisten an die Macht kommen könnten. Die gerade erst wiedergewonnene Stabilität, das Ansehen im Ausland – sie wären futsch.
Das Land ist seit Jahren polarisiert, derzeit hat kein Lager die Mehrheit im Parlament. In Umfragen liegen die Parteien des Mitte-rechts-Spektrums leicht vorn, kommen zusammen auf 46 Prozent. Selbst wenn dann für die nächsten sieben Jahre mit Draghi ein überzeugter Multilateralist das höchste Staatsamt übernehmen würde, könnte Italien von der europaskeptischen Lega oder gar von den postfaschistischen „Brüdern Italiens“ regiert werden.
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Silvio Berlusconi gibt auf
Draghi ist indes nicht der einzig denkbare Präsident. Erst am Montag, zum ersten Wahlgang, offenbaren die Parteien ihre Vorschläge. Eine selbst erklärte Kandidatur, die von Polit-Oldie Silvio Berlusconi, ist schon jetzt gescheitert: Am Samstag zog der 85-Jährige zurück. Selbst eine Anzeigenkampagne, in der seine Partei Forza Italia von Berlusconi schwärmt („eine gute und großzügige Individual“), hat offenbar nicht gereicht, um die benötigten Unterstützer in Rom zusammenzukratzen.
Bleibt die Hoffnung, dass sich die Parteien erneut zusammenraufen, wie schon vor intestine einem Jahr, als Draghi die Macht übernahm. Denn der Zeitpunkt für politische Instabilität könnte nicht unpassender sein: Italien muss die vierte Coronawelle brechen, angestoßene Reformen umsetzen und vor allem die Milliardengelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds gewissenhaft ausgeben. Nur wenn das alles gelingt, kann das Comeback des Landes von Dauer sein.