„Sell in May and go away“: Diese Börsenregel hat in den vergangenen Jahren nicht immer gepasst. Doch 2024 könnte sie wieder greifen – trotz des aktuellen Dax-Rekords.
In den ersten vier Monaten des Jahres erleben Anleger häufig eine Achterbahnfahrt der Börsengefühle, wobei der Schmerz über verpasste Gewinne bei steigenden Kursen des Dax, Nasdaq und S&P 500 in diesem Jahr oft größer war als der Ärger über die Verlustphasen. Die genannten Indizes haben erst in der vergangenen Woche neue Rekordstände markiert.
Doch das Marktumfeld ist nicht so rosig, wie die Rekordläufe an den Aktienmärkten suggerieren. Die enttäuschten Hoffnungen auf schnelle Leitzinssenkungen und anhaltend hohe Zinsen am Kapitalmarkt werden derzeit ausgeblendet. Auch die Konjunktur in Europa und den USA läuft nicht so rund, wie es etwa die jüngsten Daten zum Verbrauchervertrauen signalisieren.
Zur Person
Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten, immer unter dem Fokus des Chance-Risiko-Verhältnisses für Anleger. Sie erreichen Daniel auf seinem Portal www.feingoldresearch.de.
„Sell in May“ – auch im Jahr 2024?
Vielleicht denken Sie nun auch daran, Gewinne mitzunehmen und Aktien zu verkaufen, wie es die alte Börsenweisheit „Sell in May and go away“ empfiehlt. Doch taugt die Regel für das Börsenjahr 2024?
„Im Mai Aktien zu verkaufen, ist tatsächlich eine der bekanntesten Börsenregeln am Finanzmarkt“, sagt Ricardo Evangelista, Senior Analyst beim Broker ActivTrades Europe. „Die Statistik ist auf lange Sicht durchaus positiv für die Idee, die Sommermonate bei seiner Anlagestrategie auszusparen.“ Wie bei jeder Regel kann es aber auch anders kommen als gedacht. So gibt es nämlich durchaus Börsenjahre, in denen die Aktienmärkte prima durch den Sommer kommen.
Aktienmärkte stark „überkauft“
So einiges spricht dafür, dass die Verkäufer in diesem Jahr recht bekommen könnten. Nicht nur, weil zufällig Mai ist, sondern weil der Dax ebenso wie der Nasdaq auf dem Rekordhoch stark überkauft und damit anfällig für eine Korrektur sind. (Überkauft bedeutet, dass der Preis eines Wertpapiers zu schnell zu stark gestiegen ist und in naher Zukunft möglicherweise im Kurs nachgeben wird, Anm. d. Red.)
Ähnlich sieht das Bild bei den Einzelaktien aus: Mehr als 75 Prozent der Dax-Aktien sind seit Anfang Mai stark überkauft. „Die am meisten überkaufte Aktie schon seit April ist Rheinmetall. Dort floss ausgesprochen viel Anlegergeld hinein“, erklärt Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. Auf der Aufwärtswelle (Momentum) reiten derzeit auch vier deutsche Aktien, die Anleger lange Zeit verschmähten: TAG Immobilien, LEG Immobilien, Commerzbank und Deutsche Bank.
Spekulieren auf fallende Kurse
An vielen Tagen im ersten Jahresdrittel 2024 wurden trotz des starken Kursanstiegs bei Einzelaktien, beispielsweise bei Smartbroker oder auch beim Broker Lynx aus Berlin, deutlich, dass die Umsätze in Short-Papieren auf den Dax doch vergleichsweise hoch waren. Das heißt, viele Anleger spekulierten bereits auf ein Ende der Kursrallye. Doch die Rechnung ging bisher nicht auf und die Börseneuphorie ist mit dem Erreichen der Rekordstände riesig.
Genau in diesem Punkt liegt die Hoffnung der Mai-Verkäufer. Wenn die große Mehrheit der Anleger positiv gestimmt ist, kommt es meist anders, als man denkt – und das ganz unabhängig von einer Börsenregel. Übrigens gehört zur Börsenregel noch ein zweiter Teil: „Sell in May and go away, but remember to come back in September.“ Anleger sollen also im September wieder an den Aktienmarkt zurückkehren. Im vergangenen Jahr wurde das Tief im Dax allerdings erst Ende Oktober erreicht.
Am Ende sollte niemand nur wegen saisonaler Einflussfaktoren sein komplettes Depot verändern. Wer der schwierigen Börsenphase aus dem Weg gehen will, kann Dax-Gewinne festzurren und sein Depot punktuell absichern, zum Beispiel mit Zertifikaten. Sogenannte Turbo-Short-Papiere auf den Dax (etwa mit WKN UM2ZE0) bringen Gewinn ein, wenn der Dax sinkt. Dabei ist der investierte Betrag mit dem Faktor 2,3 gehebelt (Derartige Hebelprodukte sind nur für Profis geeignet, Anm. der Redaktion).