An einem Fluss in Peru tauchen plötzlich Ureinwohner des Regenwaldes auf. Doch weshalb zeigen sie sich dort? Zwei mögliche Theorien.
Im Juli sind Dutzende Indigene vom Volk der Mashco Piro im Südosten von Peru aufgetaucht. Gesichtet wurden sie in der Nähe von zwei Dörfern: mehr als 50 Indigene tauchten bei Monte Salvado auf, weitere 17 Personen unweit des Nachbardorfes Puerto Nuevo. Holzfäller kamen dem Volk im Amazonasgebiet zuvor gefährlich nahe, berichtet Survival International. Die internationale Nichtregierungsorganisation unterstützt indigene Völker weltweit und bietet ihnen Hilfestellung beim Schutz ihrer Land- und Menschenrechte.
Bereits früher sollen sich die Mashco Piro über Holzfäller in ihrem Revier beschwert haben. Mehrere Firmen halten in dem Gebiet Forstkonzessionen, und nun hat ein Unternehmen dort Straßen angelegt, um geschlagenes Holz abzutransportieren, berichtet Survival International. Das sei unter anderem ein „unwiderlegbarer Beweis“ dafür, dass die Regierung das Territorium nicht schützt und „sogar an Holzunternehmen verkauft hat“, sagte der Präsident der Indigenenorganisation, Fenamad, Alfredo Vargas Pio. Wenn die Landrechte der Mashco Piro nicht anerkannt und gesetzlich geschützt werden, könnte das zu Gewalt auf beiden Seiten führen.
Ein weiteres Problem ergebe sich durch Krankheiten, die die Holzfäller einschleppen könnten. Weil die Mashco Piro keine Immunität gegen gängige Krankheiten haben, könnte das eine tödliche Epidemie unter ihnen auslösen, warnte Survival International.
Doch weshalb wagten sich die Indigenen plötzlich aus dem Schutz des Regenwaldes? Aus Angst, sagen Hilfsorganisationen ganz deutlich. Denn außer den Holzfällern ziehe es auch Goldgräber und Drogenhändler in das Gebiet, berichtet „Bild“. Sie alle hätten nicht vor, indigene Völker zu schützen. Die Helfer sind sich sicher, dass die Indigenen vor diesen Menschen weglaufen – in Richtung Zivilisation. Doch es gibt auch andere Theorien. Etwa die des peruanischen Anthropologen Maximiliano Mamani, der das Volk der Mashco Piro wie kein Zweiter kennt. Er glaubt, dass Neugier die Ureinwohner aus dem Urwald treibt.
„In dieser Jahreszeit sind die Flüsse niedrig“, zitiert „Bild“ Mamani. „Das ist günstig für die Mashco Piro, um Kontakt aufzunehmen.“ Ihr Vorgehen sei „Teil eines Zyklus'“. Alle paar Jahre würden die Indigenen in die Nähe der zivilisierten Gemeinden kommen, „um den Dialog aufzunehmen“ – und anschließend wieder in den Wäldern verschwinden.
Dass Neugier das im Verborgenen lebende indigene Volk aus dem Regenwald locke, glaubt auch Carl Gierstorfer. Der deutsche Filmemacher hat die Mashco Piro jahrelang für seine Reportage „Der Fluss, der uns trennt. Perus Kampf um ein unkontaktiertes Volk“ (noch bis 26. Dezember 2024 in der Arte-Mediathek verfügbar) begleitet. „Sie sind von uns genauso fasziniert wie wir von ihnen“, sagte Gierstorfer.
Wie sie die Welt wahrnehmen, darüber wissen wir nichts, erläuterte Mamani. Ebenso wenig sei darüber bekannt, wie sie sich innerhalb ihrer Familien organisieren. Mamani gehe davon aus, dass „wir vielleicht 25 Prozent“ von dem wissen, was man über sie wissen könnte. Sein Kontakt zu den Mashco Piro sei mit Beginn der Corona-Pandemie abgebrochen. Seine Mitarbeiter warnten die Ureinwohner 2020 vor einer Krankheit auf der an anderen Seite des Flusses, die den Menschen den Tod bringt. Mit dem Wissen zogen sich die Ureinwohner zurück. Bis jetzt. Denn sie wüssten auch, dass es ein komplett anderes Leben als das ihre gibt – mit Kleidung, Werkzeugen und Kochtöpfen – das mache sie neugierig und ziehe sie in die Zivilisation.