Berlin Die steigenden Preise für viele Waren in Deutschland belasten Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend. Jeder neunte Deutsche kann nach eigenen Angaben kaum seine Lebenshaltungskosten bezahlen, zeigt eine Yougov-Umfrage im Auftrag der Postbank. Die Ergebnisse, über die die Deutsche Presse-Agentur zuerst berichtet hatte, liegen dem Handelsblatt vor.
Von den Befragten aus Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 2500 Euro gaben gar 17 Prozent an, sie seien wegen gestiegener Preise kaum noch in der Lage, die regelmäßigen Ausgaben zu stemmen. Bei den Befragten mit einem höheren Einkommen erklärten sieben Prozent, dass sie wegen der Inflation in finanzielle Not geraten würden.
In den vergangenen Monaten hat die Inflationsrate in Deutschland merklich zugelegt. Die Verbraucherpreise im Dezember lagen 5,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt vergangene Woche bekannt gab. Im Gesamtjahr 2021 lag die Inflationsrate bei 3,1 Prozent.
Im Krisenjahr 2020 waren manche Preise zwar gesunken, sodass ein Teil der aktuellen Preissteigerungen bloß eine Normalisierung darstellen. So beträgt die Preissteigerung im Dezember im Vergleich zum Vormonat nur 0,5 Prozent, was allerdings auch einen klaren Zuwachs bedeutet. Bestimmte Güter, allen voran Energieträger wie Fuel und Strom, haben zudem eine Preisrally hingelegt, die weit über eine Normalisierung hinausgeht.
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„Da sich Lebensmittel, Energie und Kraftstoffe erheblich verteuert haben, die Einkommen mit der Preisentwicklung aber nicht Schritt halten können, schrumpft der finanzielle Spielraum“, sagt Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel.
Preiserwartungen bleiben hoch
Quick die Hälfte der 2102 von Yougov Befragten gab an, aufgrund der hohen Inflationsraten „sehr beunruhigt“ zu sein. Eine wachsende Gruppe, rund ein Viertel der Befragten, gab an, dass sie nichts sparen könne.
Ein schnelles Ende der Preissteigerungen ist nicht in Sicht. Die Preiserwartungen, die das Ifo-Institut regelmäßig erhebt, sind im Dezember nur geringfügig gesunken und bewegen sich knapp unter dem historischen Höchststand des Vormonats.
„Das wird bis auf die Verbraucherpreise durchschlagen“, sagt Timo Wollmershäuser, Ifo-Konjunkturleiter. Die Unternehmen würden die gestiegenen Kosten für Energie sowie bei der Beschaffung von Vorprodukten und Handelswaren weitergeben.
Die Forschungsinstitute wie auch die Bundesbank haben zuletzt ihre Inflationsprognosen für das laufende Jahr deutlich nach oben revidiert. Das Ifo-Institut rechnet 2022 mit einer durchschnittlichen Teuerung von 3,5 Prozent. In den ersten Monaten werde man noch über vier Prozent liegen, die Raten werden dann aber allmählich abfallen.
Voraussetzung für dieses Szenario sind Entspannungen an den Energiemärkten und im internationalen Handel. Während die Pandemie zu einer hohen Nachfrage nach Gütern etwa aus dem Elektronikbereich und nach Energie gesorgt hat, ist der Warenhandel noch immer eingeschränkt.
Prognosen mit Unsicherheit behaftet
In Kombination haben sich die Preissteigerungen ergeben. Es wird erwartet, dass sich die Handelsprobleme im Sommer auflösen und mit einer Entspannung der Coronalage auch wieder mehr Dienstleistungen nachgefragt werden, was die Güternachfrage normalisieren würde.
Abhängig ist die weitere Inflationsentwicklung auch von der Entwicklung der Löhne. Wollen die Gewerkschaften die schwindende Kaufkraft mit höheren Löhnen ausgleichen, kann daraus ein aufschaukelnder Effekt entstehen. Eine solche Lohn-Preis-Spirale ist allerdings nicht in Sicht.
„Wir erwarten, dass die Tariflöhne in diesem und im kommenden Jahr um knapp zweieinhalb Prozent zulegen. Das wäre dann so stark wie im Durchschnitt der Jahre vor der Coronakrise“, sagt Wollmershäuser. 2021 waren die Tarifverdienste laut Statistischem Bundesamt nur um etwa 1,3 Prozent gestiegen.
Ökonominnen und Ökonomen weisen allerdings vermehrt darauf hin, dass die Inflationsprognosen derzeit mit großer Unsicherheit behaftet sind und auch eine längere Section höherer Preissteigerungen nicht ausgeschlossen werden kann.
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