Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) bei einer Veranstaltung in Frankfurt (Archivfoto).
(Foto: Reuters)
Berlin Die Erholung der Weltwirtschaft verläuft nicht mehr im Gleichschritt, das macht die Aufgaben für die Fiskal- und Geldpolitik komplizierter. Darauf haben sowohl Kristalina Georgieva, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), als auch Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), beim virtuellen Weltwirtschaftsform (WEF) hingewiesen. Während Georgieva vor Inflationsrisiken in den USA und hohen Schulden in Schwellen- und Entwicklungsländern warnte, betonte Lagarde, dass es in Europa bislang keinen Grund für einen abrupten Kurswechsel in der Geldpolitik mit Zinserhöhungen gebe.
Einig waren sich die beiden Steuerfrauen der Weltwirtschaft darin, dass es jetzt darauf ankomme, die Ursachen für den starken Inflationsschub genau zu analysieren. „Wir müssen nicht nur fragen, woher die Inflation kommt, sondern auch wie lange sie anhalten wird“, sagte Lagarde. Sie stimmte mit der IWF-Chefin überein, dass es nicht nur die von der Pandemie verursachten Lieferengpässe sind, die das Preisniveau nach oben treiben. „50 Prozent der Inflation stammen von höheren Energiepreisen“, sagte die Notenbankerin. Dafür seien unter anderem auch die aktuellen geopolitischen Spannungen mitverantwortlich.
Die EZB-Chefin bekräftigte ihre Prognose, dass der Preisauftrieb in den kommenden Jahren nachlassen werde und die EZB deshalb nicht dem Kurs der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) folgen werde. Die Fed hat bereits erste Zinserhöhungen im Blick. „Wir bewegen uns nicht im gleichen Tempo“, betonte Lagarde und erinnerte daran, dass es in Europa bislang keine Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale gebe. „Die Inflation ist nicht außer Kontrolle.“ Es sei unwahrscheinlich, dass Europa mit der Artwork von Inflationsanstieg konfrontiert werde, die der US-Markt erlebt habe..
Widerspruch kam vom brasilianischen Wirtschaftsminister Paulo Guedes: „Die weltweite Inflation ist kein vorübergehendes Drawback, die Notenbanker schlafen am Steuerrad“, sagte der gelernte Ökonom und Investmentbanker. In Brasilien liegt die Preissteigerung bei mehr als zehn Prozent. Wie unterschiedlich die Weltkonjunktur verläuft, zeigt sich auch in Japan. „Wir rechnen für 2022/23 mit einer Inflationsrate von einem Prozent“, sagte der japanische Notenbankchef Haruhiko Kuroda. Man werde deshalb an der sehr lockeren Geldpolitik festhalten, um die Inflation wieder auf die Zielmarke von zwei Prozent zu bringen.
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China bezahlt den Preis für seine strikte „Null Covid“-Politik
Ein weiteres Risiko für die Weltkonjunktur sieht IWF-Chef Georgieva in der absehbaren Wachstumsschwäche in China. „Das hat Konsequenzen für den Relaxation der Welt“, sagte die Bulgarin. Sie ließ Zweifel daran erkennen, ob Peking seine bisherige „Zero Covid“-Politik mit harten Shutdowns durchhalten kann. „Die wirtschaftlichen Kosten der totalen Eindämmung einer ansteckenden Variante wie Omikron sind sehr hoch“, warnte sie.
In noch größerer Gefahr befinden sich nach Angaben des IWF viele hochverschuldete Schwellen- und Entwicklungsländer. „Der globale Schuldenberg beträgt jetzt 226 Billionen Greenback“, sagte Georgieva. Sollte die Fed die amerikanischen Leitzinsen erhöhen, werde das insbesondere jene Länder hart treffen, die sich in Greenback verschuldet hätten. „Von den Ländern mit niedrigem Einkommen sind 60 Prozent entweder im Zahlungsverzug oder davon bedroht – mehr als doppelt so viele wie noch 2015“, so die IWF-Chefin.
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