Der harmonisierte Verbraucherpreisindex stieg im Mai im Jahresvergleich um 2,6% und übertraf damit die Prognosen. Die Kerninflation stieg ebenfalls auf 2,9%. Dies geschieht, während sich die Europäische Zentralbank (EZB) auf eine mögliche Zinssenkung am 6. Juni vorbereitet.
Die Inflation in der Eurozone ist im Mai sprunghaft angestiegen und hat die Erwartungen der Ökonomen übertroffen, nur wenige Tage bevor die Europäische Zentralbank (EZB) zusammentritt und die erste Zinssenkung seit vier Jahren ankündigen wird.
Nach vorläufigen Daten von Eurostat stieg der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) in der Eurozone im Mai gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,6 %, nach 2,4 % im April und übertraf damit die Prognose von 2,5 %. Dies ist der erste Anstieg der jährlichen Inflationsrate seit Dezember 2023. Auf Monatsbasis stieg der HVPI um 0,2 %, eine Verlangsamung gegenüber den 0,6 % im April.
Insbesondere die Energieinflation war mit 0,3 % im Jahresvergleich zum ersten Mal seit April 2023 positiv. Die Kerninflation, die Lebensmittel und Energie ausschließt, stieg im Mai ebenfalls an und beendete damit eine neunmonatige Desinflation. Die Kerninflationsrate stieg von 2,7 % im April auf 2,9 % im Mai und übertraf damit die Erwartung von 2,8 %. Die monatliche Kerninflation stieg leicht um 0,4 % und verlangsamte sich damit gegenüber den 0,6 % im April.
Von den Mitgliedsstaaten verzeichneten Belgien (4,9%), Kroatien (4,3%) und Portugal (3,9%) die höchsten Inflationsraten. Portugal verzeichnete damit die höchste Inflationsrate seit einem Jahr.
Umgekehrt verzeichneten Finnland (0,5%), Italien (0,8%) und Litauen (0,8%) die niedrigsten jährlichen Inflationsraten.
Wird die EZB in der kommenden Woche von einer Zinssenkung absehen?
Die vorläufigen Inflationsdaten für Mai sind einer der letzten wichtigen Daten vor der EZB-Sitzung am 6. Juni, bei der allgemein mit einer Senkung der Zinsen um 25 Basispunkte gerechnet wird.
Mehrere Entscheidungsträger der EZB haben jüngst angedeutet, dass sie eine Zinssenkung im Juni bevorzugen würden. Dies dürfte darauf schließen lassen, dass eine leichte Überraschung nach oben bei der Inflation ihre Pläne kaum ändern wird.
Mit einer Nichtsenkung der Zinsen könnte die EZB den Marktteilnehmern ein beunruhigendes Signal senden, dass sie mit einem erneuten Inflationsdruck rechnet und die Beibehaltung restriktiver Zinssätze für notwendig hält.
Es wird mit großer Spannung erwartet, dass sie die Zinssenkung im Juni durchführen werden, ohne sich zu weiteren Senkungen zu verpflichten, wie Chefökonom Philip Lane in seiner Rede vom 27. Mai darlegte.
Lane betonte, dass künftige Zinssenkungen langsamer erfolgen würden, wenn es zu überraschend positiven Steigerungen der zugrunde liegenden Inflation, insbesondere im Binnen- und Dienstleistungssektor, käme.
Die EZB prognostizierte für das zweite Quartal 2024 eine durchschnittliche Kerninflationsrate von 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Angesichts der Werte von 2,7 Prozent im April und 2,9 Prozent im Mai müsste der Juni-Wert zwischen 2 und 2,1 Prozent liegen, um der vorherigen Prognose der EZB zu entsprechen, was jedoch unwahrscheinlich erscheint.
Der Redaktionsschluss für die makroökonomischen Projektionen der EZB im Juni ist verstrichen. Dies lässt darauf schließen, dass eine leichte Aufwärtskorrektur der Kerninflationsschätzungen für das zweite Quartal zu erwarten ist.
Präsidentin Christine Lagarde könnte während der Pressekonferenz auch mitteilen, dass die Rückkehr zum Zwei-Prozent-Ziel für die Kerninflation möglicherweise etwas langsamer erfolgen könnte als bislang prognostiziert.
Die Geldmärkte kalkulieren derzeit eine Zinssenkung der EZB um 61 Basispunkte bis zum Jahresende ein, was bedeutet, dass es nach der erwarteten Zinssenkung im Juni für 2024 nur noch eine weitere Senkung um 25 Basispunkte geben wird.
Marktreaktionen
Nach Veröffentlichung des Inflationsberichts legte der Euro gegenüber dem Dollar leicht zu, der EUR/USD-Wechselkurs stieg auf 1,0840.
Die Anleiherenditen der großen europäischen Länder stiegen, wobei die Rendite der 10-jährigen deutschen Bundesanleihe auf 2,7 % kletterte und damit möglicherweise den höchsten Tagesschlusskurs seit Mitte November 2023 erreichte.
Auch die italienischen und französischen Renditen stiegen um etwa 4 Basispunkte.
Die wichtigsten europäischen Indizes gaben leicht nach: DAX und CAC 40 verloren 0,2 Prozent, der breiter gefasste Euro Stoxx 50 verlor 0,1 Prozent.