Mit der Salamitaktik beschreiben Supervisor eine Methode, unangenehm große Aufgaben Scheibe für Scheibe abarbeiten zu lassen. Die deutsche Coronapolitik ist die Salamitaktik in extenso. Die Salami – additionally die Aufgabe – ist besonders groß, die Scheiben sind extrem dünn – und die Geschwindigkeit ist qualvoll langsam, mit der Bund und Länder auf die Coronapandemie reagieren.
Jüngstes Beispiel ist die sich aufschwingende Welle der neuen Variante Omikron. In vorweihnachtlicher Besinnungslosigkeit blickt das Land der nächsten, sich anbahnenden Katastrophe entgegen. Mit solchen Wörtern sollte man sparsam umgehen, aber die Erfahrungen anderer Länder – wie etwa Großbritanniens und der Niederlande – sind genau das: eine sich anbahnende Katastrophe.
Die Omikron-Fälle verdoppeln sich deutlich schneller als die Infektionen mit der Delta-Variante. Tritt das so in Deutschland ein, könnten auch die Krankenhäuser noch stärker belastet sein als ohnehin schon – obwohl die Variante als weniger gefährlich gilt.
Vor rund zwei Wochen, als die ersten Warnungen vor Omikron laut wurden, kamen Bund und Länder zuletzt zusammen. Zwar forderten einige Länderchefs im Vorfeld entschiedenes Handeln. Nennenswerte Coronabeschlüsse aber gab es keine.
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Die erste Ministerpräsidentenkonferenz unter Neu-Kanzler Olaf Scholz (SPD) struggle eine Plauderrunde, die die Pandemiebekämpfung keinen Schritt voranbrachte. Immerhin will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dafür sorgen, dass im neuen Jahr genügend Impfstoff bereitsteht, um die mögliche Omikron-Welle zu schwächen.
Es fehlt der Notfallplan
Die Frage ist, ob das ausreicht. Für den gar nicht so unwahrscheinlichen Fall, dass die Fallzahlen und damit auch die Zahl der schweren Fälle wieder stark steigen, bräuchte es mindestens einen Notfallplan. Den hätten Bund und Länder bereits vor Wochen aufsetzen können. Die Ampel will allerdings die Empfehlungen des Expertengremiums abwarten. Kommt es zu dem Schluss, dass der Maßnahmenkatalog im Infektionsschutzgesetz nicht mehr ausreicht, muss die Ampel reagieren. Das kostet Zeit und wird vor Weihnachten nicht mehr zu machen sein.
Zwar gibt es 3G am Arbeitsplatz und im Zug- und Flugverkehr sowie 2G-Regeln in quick allen anderen Bereichen, außerdem sind Großveranstaltungen begrenzt. Für weitergehende Maßnahmen – etwa die Schließung von Geschäften, Motels und Schulen – muss die Ampel allerdings erneut das Infektionsschutzgesetz ändern und vor allem viel Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung leisten. Die kann sich sicher noch genau an das Versprechen erinnern, dass es keinen flächendeckenden Lockdown mehr geben soll.
Besonders ärgerlich ist das Zögern und Abwarten, weil hier offenbar ein systemisches Downside vorliegt – unabhängig davon, wie groß die Dringlichkeit ist und wer in der Regierung sitzt. 2021 begann mit einer schleppenden Impfkampagne, dann waren Assessments knapp, später verschlief die Politik die Boosterkampagne und die Kontrolle der 2G- und 3G-Regeln. All diese Fehler endeten in einer Pandemiewelle, jede dramatischer als die vorangegangene.
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