Knapp 400 Abgeordnete haben Olaf Scholz zum neunten Kanzler der Bundesrepublik gewählt. Nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder ist der Hanseat der vierte sozialdemokratische Regierungschef. Weltökonom Helmut Schmidt und der Genosse der Bosse, Gerhard Schröder, waren Wirtschaftskanzler. Das lag auch an den Herausforderungen. Schmidt musste die Ölkrise und die Stagflation meistern. Schröder brachte die Agenda 2010 auf den Weg, um die Rekordarbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Auch Olaf Scholz wird ein Wirtschaftskanzler sein müssen, ein Weltwirtschaftskanzler. Noch verdeckt die Pandemie die großen Herausforderungen. Aber später werden die Wirtschaftshemen umso drängender sein.
Da ist zum Beispiel die um sich greifende Inflation. Noch sind sich die Ökonomen nicht einig, ob es ein vorübergehendes Phänomen ist oder ob die Geldentwertung dauerhaft angelegt ist. In den USA haben der Fed-Chef und die Finanzministerin das Wort „vorübergehend“ schon gestrichen. Die Europäische Zentralbank ist da noch unsicher. Doch die Stimmen der geldpolitischen Tauben im Euro-Tower werden leiser und die der Falken langsam vernehmlicher.
Die Erwartungen an Olaf Scholz sind riesig. So setzte EZB-Präsidentin Christine Lagarde zum Amtsantritt von Scholz die europäische Integration mit Kapitalmarktunion und Bankenunion auf seine Tagesordnung. Damit hat sie vollkommen recht. Aber das darf nicht zulasten von Deutschland gehen. Deutschland hat bereits ein ausgefeiltes System der Einlagensicherung.
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Der wichtigste Stabilitätsanker in Europa ist Deutschland – dafür muss auch der neue Bundeskanzler Olaf Scholz sich einsetzen. Mit der bisherigen Stabilitätskultur steht und fällt auch das Vertrauen in den Euro. Scholz wird noch froh sein, dass er Christian Lindner als Bundesfinanzminister hat.
Ein FDP-Finanzminister wird nicht alles in Sachen Schulden verhindern können
Denn die Begehrlichkeiten im In- und Ausland, noch mehr Schulden zu machen oder gar eine sogenannte Schuldenunion anzustreben über eine Vergemeinschaftung der Verbindlichkeiten, werden zunehmen. Ein Finanzminister von der FDP wird nicht alles verhindern können, aber er wird sich gegen Exzesse stellen. Das ist angesichts der unklaren Lage bei der Inflation richtig. Selbst ein gestandener Keynesianer wie der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers warnte schon frühzeitig vor den immensen Ausgaben der Biden-Administration.
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Scholz findet eine internationale Wirtschaftslage vor, in der sich die Länder entkoppeln. Einige Experten fürchten bereits eine Blockbildung. China versucht, sich von den USA wirtschaftlich zu emanzipieren. Auch wenn US-Präsident Joe Biden die Partnerschaft zu Europa sucht, setzt er die „America first“-Strategie seines Vorgängers Donald Trump durchaus fort. Deutschland und Europa müssen aufpassen, dass sie zwischen diesen beiden Blöcken nicht zerrieben werden.
Angela Merkel hat stark auf China gesetzt. Das wird Scholz nicht in dem Maße fortsetzen können. China hat den Unternehmen das Leben in den vergangenen Jahren nicht leichter gemacht. Das gilt für die eigenen wie Alibaba, aber auch für die großen deutschen Konzerne wie Siemens oder VW.
Ein Weiter-so wie bei Angela Merkel wird es für Scholz additionally nicht geben. Der neue deutsche Bundeskanzler muss voll auf die europäische Karte setzen. Er muss aber auf der Brüsseler Bühne auch seinem Motto gerecht werden: Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch.
Mehr: Jörg Kukies wird der Superberater von Kanzler Olaf Scholz.