Eines vorweg: Imane Khelif ist eine Frau. Niemand möchte ihr das Frausein absprechen. Dafür, dass sie männliche Geschlechtsmerkmale aufweist, kann die Boxerin nichts. Selbst wenn die Algerierin über XY-Chromosomen verfügte, würde sie das nicht automatisch zum Mann machen.
Dennoch ist es naheliegend, dass die möglicherweise intersexuelle Boxerin von höheren Testosteronwerten im Blut profitiert. Und das verschafft ihr bei Olympia einen unfairen Vorteil ihren Kontrahentinnen gegenüber.
Nicht ohne Grund wurde sie daher im Vorjahr von der WM ausgeschlossen, weil sie einen Geschlechtstest nicht bestanden hatte. Nicht ohne Grund steht das Steroidhormon Testosteron auf der Dopingliste. Eine Anwendung innerhalb und außerhalb von Wettkämpfen ist strengstens untersagt. Warum? Weil Testosteron zu einem deutlichen Muskelzuwachs und einer Steigerung der Herzleistung führt.
Hat Khelif damit schon automatisch Gold gewonnen? Natürlich nicht. Ohne Frage scheint sie sich bestens auf die Olympischen Spiele vorbereitet zu haben. Ohne hartes Training wäre sie nicht so gut. Dafür gebührt ihr Respekt.
Und natürlich kann sie auch mal einen Kampf verlieren. Ein gedopter Radfahrer gewinnt auch nicht automatisch die Tour de France, nur weil er gedopt ist. Daher ist das Argument, dass die Boxerin ja bereits Kämpfe verloren habe, mehr Schein als Sein. Vielmehr geht es doch darum: Die letzten Prozentpunkte, die die Algerierin durch ihren erhöhten Testosteronwert aus sich herausholen kann – diese Möglichkeit haben die anderen Boxerinnen eben nicht.
Wie geht man nun also mit einer Athletin um, die selbst nichts für ihren Vorteil kann? Zumindest sollte man ohne Schaum vor dem Mund darüber diskutieren dürfen, ob die Teilnahme von Khelif die eigentliche Prämisse, einen fairen Wettbewerb stattfinden zu lassen, nicht konterkariert. Südafrikas 800-Meter-Läuferin Caster Semenya wurde mit erhöhten Testosteronwerten zweimal Weltmeisterin und dreimal Olympiasiegerin. Khelif hat ihre Gegnerin im Achtelfinale nach 46 Sekunden besiegt. Noch einmal: Achtelfinale! 46 Sekunden!
Für den Inklusionsgedanken ist das Folgende daher sicher ganz hart, aber: Khelif hätte niemals teilnehmen dürfen! Die Fairness, die bei den Olympischen Spielen die allerhöchste Priorität genießen sollte, wird mit ihrer Teilnahme mit Füßen getreten. Das muss man sagen dürfen, ohne direkt als intolerant betitelt zu werden. Denn das hat nichts mit Intoleranz zu tun, sondern mit dem olympischen Gedanken von Fairness und Gleichheit.