Impfquoten stark rückläufig
HPV und Krebs: Viele Menschen wissen nichts von ihrem Risiko
27.08.2024 – 12:43 UhrLesedauer: 3 Min.
Eine Impfung gegen Humane Papillomviren kann vor verschiedenen Tumoren schützen. Trotzdem sind die Impfquoten in Deutschland niedrig. Woran liegt das?
Humane Papillomviren (HPV) gehören weltweit zu den häufigsten sexuell übertragenen Infektionen. Fast jeder sexuell aktive Mensch infiziert sich nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) mindestens einmal im Leben damit. Je nach Virustyp – insgesamt gibt es 200 verschiedene – kann eine Infektion ohne Folgen bleiben. Meistens merken Menschen dann nicht, dass sie infiziert sind, und die Infektion verschwindet wieder.
Doch in seltenen Fällen kann sie Krebs auslösen. Dazu gehören vor allem Gebärmutterhalskrebs, aber auch Peniskrebs, Analkrebs und Krebs im Mund-Rachen-Bereich. Laut RKI wird weltweit etwa die Hälfte aller infektionsbedingten Krebserkrankungen durch HPV verursacht.
Die gute Nachricht ist: Es gibt eine Impfung, die laut RKI zu fast 100 Prozent vor bestimmten HPV-Typen schützt. Aber: Zu wenige Menschen nutzen sie. Das zeigen erneut Zahlen, die am Dienstag von der Barmer Krankenkasse veröffentlicht wurden. Demnach waren 2022 nur 60 Prozent der Mädchen im Alter von 14 Jahren vollständig gegen HPV geimpft.
Bei Jungen lag die Impfquote mit einem Anteil von 25 Prozent bei 13-Jährigen noch wesentlich niedriger. Eine HPV-Impfung für Jungen zwischen 9 und 14 Jahren wird jedoch erst seit 2018 empfohlen, weshalb der Barmer für das Jahr 2022 noch keine aussagekräftigen Daten für 14-Jährige vorliegen.
„Die geringe Impfquote ist besorgniserregend“, sagte Nobila Ouédraogo, Public-Health-Experte beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Die Barmer-Studie zeige, dass die Impfquote in den vergangenen Jahren zwar insgesamt leicht gestiegen sei, der Zuwachs sich aber deutlich verlangsamt habe. „Wir kommen weiter voran, aber wir werden immer langsamer“, so Ouédraogo.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt die HPV-Impfung seit 2007 für Mädchen und seit 2018 auch für Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren. Für einen Schutz sind zwei Impfungen im Abstand von mindestens fünf Monaten notwendig. Eine verpasste Immunisierung sollte bis zum Alter von 17 Jahren nachgeholt werden.
Vor allem von 2021 auf 2022 hat die Impfaktivität laut Barmer nachgelassen. Das könne unter anderem mit einem Rückgang der Arztbesuche während der Corona-Pandemie zusammenhängen, schätzt Ouédraogo. Mangelnde Aufklärung, eine allgemeine Impfmüdigkeit und das Fehlen von Schulimpfprogrammen seien weitere Erklärungsmöglichkeiten.
HP-Viren werden nach DKFZ-Angaben vor allem beim Sex übertragen. Sowohl Frauen als auch Männer können sich infizieren. Je nach HPV-Typ können später unterschiedliche Symptome auftreten. Sogenannte Niedrigrisiko-HPV-Typen können zu Hautwarzen an Gesicht, Füßen oder Händen sowie zu Genitalwarzen führen, die zwar eher harmlos, aber zum Teil schmerzhaft sind.
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Hochrisikotypen, die Krebs auslösen können, hingegen verursachen anfangs keine Symptome. Für Frauen ab 35 Jahren ist ein HPV-Test daher seit einigen Jahren Teil des Früherkennungsprogramms für Gebärmutterhalskrebs. Frauen zwischen 20 und 34 Jahren erhalten beim Frauenarzt einen Abstrich am Gebärmutterhals, um mögliche Zellveränderungen aufzuspüren.
Schätzungen zufolge erkranken in Deutschland jährlich etwa 7.700 Menschen aufgrund einer HPV-Infektion an Krebs, wie das DKFZ informiert. Bevor es ein Früherkennungsangebot in Deutschland gab, war das Zervixkarzinom – ein bösartiger Tumor des Gebärmutterhalses – demnach die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Inzwischen sei es wesentlich seltener geworden. Und die Effekte der Impfung sollten sich laut RKI in den kommenden Jahren zeigen.
Kondome bieten nach DKFZ-Angaben keinen absolut zuverlässigen Schutz gegen HPV, daher sei die Impfung der sicherste Schutz. Dass diese bereits ab einem Alter von neun Jahren verabreicht werden kann, sei Eltern zum Teil schwer zu vermitteln, sagt die Sprecherin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ), Tanja Brunnert. „Wenn wir das Wort sexuell übertragbare Erkrankungen in den Mund nehmen, ist manchmal eine unheimlich große Hemmung und auch Scham da“, erklärt Brunnert, die eine Praxis in Göttingen betreibt. „Es gibt viele Eltern, die sagen, das muss man doch nicht mit neun machen, das können wir ja so mit zwölf, dreizehn machen.“
Für Brunnert ist das einer der Gründe für die niedrige Impfquote. Dabei sprechen Kinder ihren Angaben zufolge sehr gut auf die Impfung an, wenn sie noch sehr jung sind. „Je früher, desto besser.“
Trotzdem stünden viele Eltern der Impfung sehr kritisch gegenüber. Als der Impfstoff zugelassen wurde, gab es laut Brunnert viele kritische Stimmen, auch aus Fachkreisen. „Das hängt uns tatsächlich nach wie vor nach, obwohl wir um die gute Verträglichkeit und Wirksamkeit der Impfung wissen.“ Umso wichtiger sei, dass Kinderärzte gute Aufklärung betrieben. Und auch wenn das im stressigen Arbeitsalltag nicht immer einfach sei: Jeder Termin müsse genutzt werden, um den Impfstatus zu kontrollieren.