New York Im zweiten Anlauf hat es doch geklappt: Die Mitarbeiter im Amazon-Lager im New Yorker Stadtteil Staten Island haben am Freitag mit 2654 Ja- zu 2131 Nein-Stimmen für die Einführung einer gewerkschaftlichen Vertretung gestimmt. Noch im vergangenen Jahr conflict ein ähnlicher Versuch gescheitert. Bei einer weiteren Abstimmung in Alabama werden die Stimmen noch ausgezählt. Aber es sieht so aus, als hätte die Mehrheit der Mitarbeiter die Gründung einer Gewerkschaft abgelehnt.
Der Sieg der Gewerkschaftsbefürworter in Staten Island ist ein historischer Schnitt für Amazon. Es ist das erste Mal, dass der Großkonzern es mit einer organisierten Arbeitnehmervertretung im eigenen Haus zu tun bekommt. Dem Onlinehändler conflict es seit seiner Gründung in den 90er Jahren stets gelungen, die Arbeitnehmervertreter außen vor zu lassen. Doch gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels und der zunehmenden Beschwerden über die Arbeitsbedingungen conflict der Druck immer größer geworden.
Der Abstimmung in Staten Island conflict ein langer Kampf vorausgegangen. Angefangen hat alles mit dem Vorarbeiter Christian Smalls. Der conflict vor knapp zwei Jahren entlassen worden, nachdem er auf dem Höhepunkt der Coronapandemie in New York in seinem Lagerhaus einen Protest für einen besseren Schutz vor Covid-19 organisiert hatte. Monatelang hat er seitdem vor den Toren seines ehemaligen Arbeitsplatzes Flugblätter verteilt, um eine Gewerkschaft zu bilden.
Amazon selbst hatte die Lagerhallen mit „Vote No“-Flugblättern gepflastert und die Mitarbeiter zu verpflichtenden Informationsveranstaltungen während der Arbeitszeit eingeladen. Dort hatten die Supervisor argumentiert, dass Amazon mehr als Mindestlohn zahle und für amerikanische Verhältnisse akzeptable Sozialleistungen biete – und dass deshalb keine Gewerkschaften nötig seien.
Prime-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Insgesamt arbeiten rund 8000 Mitarbeiter im Lager in Staten Island. Mehr als die Hälfte haben sich an der Wahl beteiligt.
Neues Selbstbewusstsein der amerikanischen Arbeiter
Die Arbeitssoziologin Ruth Milkman von der Metropolis College of New York wundert es nicht, dass die Gewerkschaften in New York bessere Chancen haben als im strukturschwachen Alabama. „In Alabama sind die Amazon-Jobs besser bezahlt als andere Arbeitsplätze vor Ort“, erklärt sie. In Staten Island müsse Amazon dagegen mit anderen New Yorker Arbeitgebern um Mitarbeiter konkurrieren.
Die Abstimmung in Staten Island ist vor allem ein Zeichen eines neuen Selbstbewusstseins der Arbeiter in den USA. Auch bei der Kaffeehaus-Kette Starbucks haben in Buffalo mittlerweile sechs Filialen für die Einführung einer Gewerkschaft gestimmt.
Der Arbeitskräftemangel hat den Angestellten im Niedriglohnsektor in den USA ein neues Selbstbewusstsein gegeben. In der zweiten Jahreshälfte 2021 haben jeden Monat mehr als vier Millionen Amerikaner ihren Job gekündigt – während die Unternehmen im Durchschnitt sechs Millionen Menschen professional Monat einstellten. Wie die Arbeitsmarktdaten vom Freitag zeigen, ist die Arbeitslosigkeit in den USA auf 3,6 Prozent gefallen.
„Die Pandemie hat die Machtverhältnisse verändert“, beobachtet die auf Gewerkschaften spezialisierte Professorin Michelle Kaminski von der Michigan State College. „Covid hat gezeigt, wie wichtig die Arbeiter sind“, sagt sie. Die Arbeiter wollten würdevoll behandelt werden, „und das ist vielerorts nicht der Fall.“ Kaminski rät Unternehmen, ihren Mitarbeitern intestine zuzuhören.
Amazon: Gründer Jeff Bezos will „bester Arbeitgeber der Welt“ werden
Auch der Amazon-Gründer und ehemalige CEO Jeff Bezos hat das Downside erkannt: In seinem jüngsten Transient an die Aktionäre hat er versprochen, sich besser um die Mitarbeiter zu kümmern: „Wir wollten immer das Kunden-fokussierteste Unternehmen der Welt sein“, schreibt Bezos darin. Und jetzt wolle Amazon auch „der beste Arbeitgeber und sicherste Arbeitsplatz der Welt sein“.
Deshalb zahlt Amazon in den USA in einigen Regionen Boni von 3000 Greenback, wenn Menschen einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Die Stundenlöhne wurden auf durchschnittlich 18 Greenback zum Einstieg angehoben. Nach Medienberichten hat das Unternehmen auch größtenteils sein sogenanntes „Pay to stop“-Programm abgeschafft, das Mitarbeitern nach der Weihnachtssaison 5000 Greenback bot, damit sie das Unternehmen verlassen.
Den Mitarbeitern rät die Arbeitsrechtsexpertin Kaminski, die Gunst der Stunde zu nutzen. „Es hat in den vergangenen 30 Jahren keinen besseren Second gegeben“, ist sie überzeugt. Und wenn sie wollten, dass ihre Gehaltserhöhungen auch von Dauer sind und nicht einfach beim nächsten Abschwung wieder kassiert werden, dann sollten sie so schnell wie möglich einer Gewerkschaft beitreten, rät Kaminski.
Mehr: Amazon schließt die eigenen Buchläden