Der Berliner Strategieexperte und Kommunikationsberater Fabian Haun sagte, er vermisse bisweilen „klare Worte oder ein deutliches Signal“ des Kanzlers. Zwar gebe das Bundespresseamt viele Erklärungen heraus, doch von Scholz selbst gebe es viel zu selten Statements, die den Eindruck vermittelten, da spreche jemand, der anpacke, der eindeutig und unmissverständlich Stellung bezieht. Zu oft regiere in Scholz‘ Kommunikation die politische Vorsicht. „Bei vielen Menschen führt diese ‚Schmalspurkommunikation‘ zu großer Verunsicherung“, so Haun gegenüber „RND“.
Und wenn der Kanzler dann mal eine klare Haltung einnimmt, wie etwa bei Waffenlieferungen im Ukrainekrieg, dann nimmt er häufig bald schon wieder Abstand davon. Das wird Scholz offenbar auch von einigen in der SPD als Führungsschwäche ausgelegt.
Fraktionschef und Scholz-Vertrauter Rolf Mützenich bestätigt diesen Eindruck indirekt, wenn er sagt, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen sei, die eigenen Erfolge und Vorhaben stärker herauszustellen. „Der Bundeskanzler wird in Zukunft die Chance ergreifen, deutlicher seine Haltung innerhalb der Koalition als sozialdemokratischer Regierungschef zu erläutern“, so Mützenich der „Rheinischen Post“. Warum das erst jetzt, am Ende der Wahlperiode, passieren soll, und nicht schon früher der Fall war, sagte er nicht.
Symptomatisch für das Kommunikationsverhalten des Kanzlers war der Tag nach dem Europawahl-Debakel. Da tauchte Scholz erstmal ab, nahm wichtige Termine wahr, etwa den Empfang des chilenischen Präsidenten in Berlin. Auch da schien es, als seien ihm die großen Auftritte auf weltpolitischer Bühne wichtiger, als das mühsame Erklären der innenpolitischen Herausforderungen.
Noch hält der Burgfrieden. Kritik an Scholz dringt nur sehr dosiert aus der SPD-Parteizentrale. Doch während Schulz und Mützenich dem Kanzler ihre Unterstützung zusichern, soll Kühnert hinter vorgehaltener Hand nicht mehr ausgeschlossen haben, dass Scholz die Vertrauensfrage stellt. Das hatten Vertreter der Opposition schon gleich nach dem Wahlabend gefordert. Scholz lehnt das ab.

