Ein hereditäres Angioödem ist eine genetisch bedingte Krankheit, die vor allem Schwellungen auslöst. Welche Symptome noch typisch sind und was hilft.
Das hereditäre Angioödem ist wohl den wenigsten ein Begriff, was vor allem an der Seltenheit der Erkrankung liegen dürfte: Nur etwa einer von 100.000 Menschen in der Bevölkerung ist davon betroffen. Die Diagnose wirft in der Regel viele Fragen auf, insbesondere: Welche Behandlung hilft gegen die unangenehmen und teils gefährlichen Symptome? Und wie wirkt sich die Krankheit auf die Lebenserwartung aus?
Hereditäres Angioödem – das steckt hinter dem Begriff
Das hereditäre Angioödem ist eine seltene, durch einen Gendefekt (also eine Anomalie im Erbgut) verursachte Krankheit, die immer wieder zu Schwellungen im Gewebe unter der Haut und tieferen Hautschichten sowie Schleimhäuten führt. „Hereditär“ bedeutet erblich, und „Angioödem“ leitet sich von „Angio“ für Gefäß und „Ödem“ für Schwellung ab.
Der Gendefekt führt zu einem Mangel an einem Stoff namens „C1-Inhibitor“ oder zu einer gestörten Funktion dieses Stoffes. „Inhibitor“ heißt „Hemmer“ und weist auf die Aufgabe des Stoffes hin: Der C1-Inhibitor hemmt gewisse biochemische Prozesse im Körper und sorgt auf diese Weise mit dafür, dass ein bestimmtes Hormon (Bradykinin) in der richtigen Konzentration vorhanden ist.
Bradykinin ist unter anderem dafür zuständig, die Blutgefäße zu erweitern, um damit den Blutdruck zu senken. Zugleich macht Bradykinin die Gefäße durchlässiger. Ein Überschuss an dem Hormon kann darum dazu führen, dass vermehrt Flüssigkeit aus den Gefäßen ins Gewebe austritt und sich dort sammelt, wodurch dieses anschwillt. Genau das passiert bei einem hereditären Angioödem.
Hereditäres Angioödem – das sind die Symptome
Ein hereditäres Angioödem ruft in der Regel in der Kindheit oder Jugend erstmals Symptome hervor. Typisch sind Schwellungen an verschiedenen Körperregionen, die anfallsartig immer wieder auftreten und sich nach spätestens sieben Tagen wieder zurückbilden. Wie oft ein Angioödem spür- und sichtbare Symptome auslöst, ist von Person zu Person unterschiedlich. Einige haben nur alle paar Jahre damit zu tun, andere mehrmals im Monat.
Auch wenn die eigentliche Ursache des erblichen Angioödems im Gesicht ein Gendefekt ist, begünstigen gewisse Einflüsse die Symptome. Zu den möglichen Auslösern zählen zum einen Medikamente wie ACE-Hemmer, die vor allem in der Behandlung von Bluthochdruck zum Einsatz kommen. Zum anderen setzen die Schwellungen mitunter nach Belastungen ein. Das können etwa Verletzungen oder medizinische Eingriffe im Kopfbereich (etwa eine zahnärztliche Behandlung) sein, aber auch Infektionen, körperliche Anstrengung, Stress oder hormonelle Schwankungen im Rahmen des Menstruationszyklus.
Bei etwa der Hälfte der Betroffenen gehen den eigentlichen Symptomen gewisse Vorzeichen voraus, beispielsweise:
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- ein Durstgefühl
- depressive Stimmung
- Aggressivität
- ein nicht-juckender, scharf begrenzter Hautausschlag namens Erythema marginatum
Sobald sich Schwellungen gebildet haben, sind verschiedene Symptome möglich. Welche, hängt von der betroffenen Körperstelle ab. Angioödeme an den Armen und Beinen, an Kopf und Hals und/oder den Genitalien machen sich hauptsächlich durch sichtbare Hautschwellungen bemerkbar, welche von leichten Schmerzen und einem Spannungsgefühl begleitet sein können. Beim hereditären Angioödem sind die Schwellungen für gewöhnlich nicht mit Juckreiz verbunden. Das ist ein wichtiger Unterschied zur nicht erblichen (sogenannten erworbenen) Form des Angioödems.
Bei manchen Erkrankten bilden sich die Schwellungen auch oder ausschließlich innerhalb des Körpers in den Schleimhäuten des Verdauungstraktes. Entsprechend verspüren sie vor allem Magen-Darm-Symptome wie Erbrechen, krampfartige Bauchschmerzen und wässrige Durchfälle. Wenn große Mengen an Flüssigkeit in die Bauchhöhle fließen und sich dort sammeln, kann es außerdem zu einem starken Blutdruckabfall kommen – bis hin zum Schock.
Ein weiteres gefürchtetes Symptom eines Angioödems ist eine Verengung oder sogar ein Verschluss der Atemwege, welcher im schlimmsten Fall zum Ersticken führen kann. Dieses Risiko besteht, wenn die Schwellungen im Bereich des Rachens und Kehlkopfes entstehen. Das scheint bevorzugt bei denjenigen Erkrankten vorzukommen, bei denen die Schwellungen vor allem das Gesicht betreffen.
Wichtig: Wenn eine Person mit einem hereditären Angioödem Schwierigkeiten beim Atmen verspürt oder andere Anzeichen für Schwellungen im Bereich der Atemwege bei sich feststellt, braucht sie sofort medizinische Hilfe. Um lebensbedrohliche Folgen zu verhindern, ist sofort der Rettungsdienst zu rufen.
Hereditäres Angioödem – wie die Diagnostik abläuft
Wer wiederholt Schwellungen bei sich bemerkt und dahinter ein hereditäres Angioödem vermutet, sollte die Sorge ernst nehmen und ärztlich abklären lassen. Eine erste Anlaufstelle kann die hausärztliche beziehungsweise kinderärztliche Praxis sein.
Die Diagnostik besteht aus einem Gespräch und einer Untersuchung. Im Gespräch verschafft sich die Ärztin oder der Arzt zunächst einen genauen Eindruck von den Symptomen. Von Bedeutung ist unter anderem, wann diese erstmals in Erscheinung getreten sind und welche Ereignisse ihnen vorausgegangen sind und somit als Auslöser infrage kommen. Zudem wird sich die Ärztin oder der Arzt danach erkundigen, wie oft die Beschwerden auftreten und wie lange sie üblicherweise andauern.