Eine Recherche über das Bauunternehmen Hentschke Bau sorgte für Wirbel. Nun zweifelt das Landgericht Dresden das rechtsextreme Pausenraumgespräch an – wegen einer bruchstückhaften Aussage.
Eine sächsische Baufirma hat gegen eine Recherche geklagt, die das Unternehmen mit der rechtsextremen Szene in Verbindung bringt. Am Freitag hat das Landgericht Dresden dem Unternehmen recht gegeben.
Das Gericht urteilte, der sächsische Ableger der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA Sachsen) darf bestimmte Aussagen über angebliche rechtsradikale Strukturen der Bautzner Firma Henschke Bau nicht mehr wiederholen und veröffentlichen. Andernfalls droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro.
Hentschke Bau und dessen Geschäftsführer Jörg Drews hatten die VVN-BdA Sachsen verklagt, nachdem diese eine Recherche des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts veröffentlicht hatte.
Das an der Universität Leipzig angesiedelte Institut bringt das Unternehmen und Drews mit der extremen Rechte in Ostsachsen in Verbindung. Mit Mittelpunkt des Verfahrens stand eine Passage, die ein angebliches Pausenraum-Gespräch wiedergab. Ein Gabelstaplerfahrer hätte unwidersprochen vom „Vergasen“ gesprochen und soll andere rechtsradikale Positionen geäußert haben. Ob dieser Vorfall tatsächlich stattfand, konnte im Verfahren nicht geklärt werden. Richter Stefan Dreher, der bis 2018 AfD-Mitglied war, begründete seine Entscheidung damit, dass er sich selbst kein Bild über die Glaubwürdigkeit des Zeugen habe machen können.
Zeuge spricht mit Presse – aber nicht vor Gericht
Da der Zeuge anonym bleiben wollte, sagte der Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts aus. Vor dem Landgericht gab er das Recherchegespräch mit dem zitierten, mutmaßlichen ehemaligen Mitarbeiter von Hentschke Bau wieder. Angaben zur Identität des Gesprächspartners machte er nicht – aus Gründen des Quellenschutzes. Die Schilderungen seien allerdings sehr lückenhaft und bruchstückhaft gewesen, begründete der Richter seine Entscheidung: „So hat er zum Beispiel das Datum des Vorfalls verweigert“
Im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) bekräftigte der mutmaßliche ehemalige Mitarbeiter jedoch seine Aussage: „Da sagt jemand, dass er eine bestimmte Personengruppe vergasen will. Und es gab keine Widerworte von den Anwesenden. Alle hatten es deutlich gehört.“ Ihn habe damals nicht nur die fehlende Gegenrede schockiert. „Von einigen Leuten kam sogar ein zustimmendes Kopfnicken.“ Zur Verifizierung legte der Ex-Mitarbeiter dem MDR einen Arbeitsvertrag mit Hentschke Bau vor.
„Aus dem Zusammenhang gerissen“
Neben dem Pausenraum-Eklat hatte Hentschke Bau gegen weitere Passagen geklagt. In der Veröffentlichung des VVN-BdA Sachsen wurde transparent gemacht, dass die Firma im Jahr 2017 19.500 Euro an die AfD spendete. Auch Ostsachsen.TV wurde vom Bautzener Bauunternehmer teilfinanziert: Ein Medium, das viele extreme Rechte zu Wort kommen ließ – unter anderen den Aktivisten der „Identitären Bewegung“, Maximilian Thorn aus Bautzen, Jürgen Elsässer, AfD-Sachsen-Chef Jörg Urban oder Reichsbürger Peter Fitzek. Auch dem Magazin „Denkste?!“ der Bautzner Bürgerinitiative „Wir sind Deutschland“ – die sich selbst als Alternative zu Pegida sieht – gab Drews anfangs Geld.
Die Autoren zogen daraus den Schluss, dass dieses Engagement zur Normalisierung antidemokratischer Positionen beitrage. Laut dem Urteil des Dresdner Landgerichts ist diese Schlussfolgerung unzulässig.
Acht Brandanschläge in drei Jahren
Das Unternehmen steht im Fokus von Linksextremen: Immer wieder werden Autos oder Bagger der Bautzner Baufirma angezündet. Der Schaden für das Großunternehmen bewegt sich auf eine Million Euro zu. Die meisten Ermittlungsverfahren wurden eingestellt. Lesen Sie hier, warum es immer wieder diese Baufirma trifft.
„Ich habe das Urteil so verstanden, dass die einzelnen Punkte aus dem Zusammenhang gerissen sind“, ordnet der Gerichtssprecher das Urteil ein. Die Autoren hätten auch die Rahmenumstände beleuchten müssen. In einer Stellungnahme an t-online im Mai 2023 stellte der Bautzner Unternehmer klar, dass Hentschke Bau seit Jahren durchgehend und in großer Höhe an die CDU und das Bürgerbündnis Bautzen e. V. spende. Die AfD habe hingegen lediglich eine Zahlung im Jahr 2017 erhalten, zu einer Zeit, in der die Partei mit der heutigen AfD inhaltlich nicht vergleichbar gewesen sei.
VVN-BdA Sachsen erwägt in Berufung zu gehen
Zudem sei die „marginale“ Höhe der Spenden an Ostsachsen.TV und „Denkste?!“ unterschlagen worden. „Das ist weder Journalismus noch Wissenschaft, sondern schlicht politischer Aktivismus. Dem hat das Gericht heute Grenzen aufgezeigt“, sagte der Hentschke-Bau-Geschäftsführer nach der Urteilsverkündung.
Die Beklagte VVN-BdA Sachsen kann binnen eines Monats Berufung einlegen. „Ich gehe davon aus, dass wir davon Gebrauch machen“, sagte Silvio Lang, Sprecher der VVN-BdA Sachsen t-online. Davor seinen allerdings noch einige Gespräche zu führen.