Düsseldorf Paul Singer ist auch bei deutschen Unternehmen als hart, geduldig und erfolgreich bekannt. Sei es die Fusion der Immobilienkonzerne Deutsche Wohnen und Vonovia, die Sanierung der Industrieikone Thyssen-Krupp oder die schwierige Integration von Monsanto beim Chemie- und Pharmakonzern Bayer – überall mischt Singer mit seinem Hedgefonds Elliott Administration mit.
Ein weiteres, erfolgreich abgeschlossenes Kapitel ist nun Rocket Web. Der Begin-up-Inkubator der Brüder Samwer will von der Börse gehen und hat im Herbst 2020 den Aktionären ein Rückkaufangebot von 18,57 Euro je Anteil vorgelegt. Die von Experten als viel zu niedrig kritisierte Offerte rief Singer auf den Plan. Sein Hedgefonds erwarb schrittweise rund 20 Prozent der Anteile.
Nun ist er am Ziel: Rocket zahlt an Elliott mit 35 Euro quick doppelt so viel wie damals vorgesehen. Der Deal soll auf einer Ende Januar stattfindenden außerordentlichen Hauptversammlung beschlossen werden, hieß es am Dienstag vom Unternehmen. Die im Freihandel notierte Aktie schnellte um knapp 24 Prozent auf 33,4 Euro nach oben.
Das Angebot liegt unter dem 40 Euro, die in Finanzkreisen nach dem Einstieg von Elliott erwartet wurden. Es ist trotzdem ein gutes Geschäft für Singer: In intestine einem Jahr dürfte er nach Berechnung von Experten einen Gewinn von intestine 200 Millionen Euro erzielt haben. „Angesichts der kurzen Zeit ist das eine großartige Rendite“, sagt Christian Röhl von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
High-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Der 77-jährige Singer kann auch aus anderen Gründen zufrieden sein. Sein Hedgefonds erhält im Vergleich zu anderen Altaktionären eine Sonderbehandlung und kann seine Anteile aufgrund der vereinbarten Übertragung von sogenannten Andienungsrechten im Gesamtpaket verkaufen. Damit verfügt Rocket Web über knapp 90 Prozent der Anteile.
Andere Altaktionäre erhalten mit einem Viertel ihrer Aktien allerdings viel weniger Andienungsrechte. Erst wenn freie Aktionäre verzichten, kommen sie zum Zug. „Insgesamt ist das ein extrem die Kleinaktionäre benachteiligendes Vorgehen, dass durchaus eine rechtliche Prüfung wert wäre“, sagt Daniel Bauer, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK).
Rocket Web: Viel Kritik am Rückzug
Mit der Einigung zieht Rocket Web einen Schlussstrich unter einem kontroversen Deal. Der Börsenrückzug hatte dem Unternehmen viel Kritik eingebracht. Rocket hatte dabei den Durchschnittkurs der vergangenen sechs Monate ermittelt.
Kritiker bemängeln aber, dass der Kurs aufgrund der Pandemie sehr niedrig lag. Aktionärsschützer Christian Röhl sagt, Rocket Web habe seine Aktie „schlecht geredet“. Beim Börsengang 2014 seien noch 42,50 Euro erzielt worden. Der innere Wert der Holding lag nach Berechnungen der Deutschen Financial institution bei weit mehr als 30 Euro je Aktie.
Die Hauptversammlung im vergangenen Oktober wurde zur Bühne für die Abrechnung. Mehr als fünf Stunden dauerte die virtuelle Sitzung, Konzernchef Oliver Samwer musste sich zahlreichen teils harschen Fragen stellen. „Das warfare eine erzwungene Transaktion zu Lasten der Aktionäre – wie die Einigung mit Elliott jetzt zeigt“, sagt Company-Governance-Experte Christian Strenger.
Das Unternehmen wird von Oliver Samwer geleitet, gegründet wurde es von ihm und seinen Brüdern Marc und Alexander Samwer. Zu den früheren Beteiligungen gehörten die heutigen Dax-Mitglieder Supply Hero, Hi there Recent und Zalando.
Zwar ist Rocket auch heute bei zahlreichen Firmen wie dem Putzkraftvermittler Helpling, dem Apartmentvermittler Nestpick oder der Digitalspedition Instafreight investiert. Aber Samwer will weniger Firmen gründen und sich in einen Risikokapitalgeber wandeln.
Ungleichbehandlung der Aktionäre
„Außerhalb des Aktienmarktes kann Rocket Web bei langfristigen strategischen Entscheidungen unabhängig von Stimmungen am Kapitalmarkt einen längerfristigen Ansatz verfolgen“, begründete Rocket Web damals das Delisting. Auch verringere sich die Komplexität der Geschäftstätigkeit und der Rechtsvorschriften, „wodurch Verwaltungskapazitäten freigesetzt und Kosten verringert werden können.“ Zudem habe Rocket Web inzwischen die Tochterunternehmen mit hohem Kapitalbedarf an die Börse gebracht und benötige daher weniger Finanzspielraum.
Die Sache ist für Rocket Web aber noch nicht ganz beendet. Klagen von enttäuschten und ehemaligen Aktionären drohen.
Die Expertin für Unternehmensrecht, Julia Redenius-Hövermann, sieht in der Einigung eine Ungleichbehandlung der Aktionäre. Im vergangenen Herbst wurde als Grundlage der Kursdurchschnitt der vergangenen sechs Monate genommen. Jetzt würde anscheinend der Unternehmenswert herangezogen. „Es gibt dringenden Reformbedarf betreffend des Aktionärsschutzes in Deutschland“, sagte die Professorin an der Frankfurt Faculty of Finance & Administration.
Mehr: Deutsche Firmen werden zu einem Hauptangriffsziel für Hedgefonds