Die Hamburger AfD nutzt seit geraumer Zeit die Video-App TikTok für ihre politische Arbeit – und erreicht dort vor allem junge Menschen. Wieso halten die übrigen Parteien kaum dagegen?
Sucht man nach dem CDU-Landesvorsitzenden Dennis Thering in der App TikTok, erscheint nicht etwa ein Account des Politikers. Als Top-Video wird stattdessen ein Beitrag der AfD-Fraktion vorgeschlagen. Darin wird Thering als „CDU-Hetzer“ bezeichnet – ihm wird von Dirk Nockemann, dem Landesvorsitzenden der AfD Hamburg, „undemokratischer Klamauk“ vorgeworfen. Das Video wurde von 12.300 Menschen gelikt. In den Kommentaren häufen sich blaue Herzen – entsprechend der Parteifarbe.
Während auf Hamburgs Straßen Hunderttausende auf die Straßen gehen und unter anderem „Wir sind mehr“ rufen, scheint es auf TikTok fast so, als bestünde die Mehrheit aus Rechten und Rechtsextremen. Die digitale politische Landschaft wird auf TikTok von Rechten dominiert. Hamburger Politiker wie Thering setzen sich dagegen wenig bis gar nicht zur Wehr. Kaum einer der Hamburger Landesvorsitzenden präsentiert sich auf TikTok.
Grüne machen den Anfang
Eine, die das ändern möchte, ist Maryam Blumenthal, Hamburger Grünen-Landesvorsitzende. Sie postet seit mehreren Wochen Videos auf TikTok, zeigt Haltung gegen rechtes Gedankengut und ahmt Trends nach, um mit Witz Einblick in ihre Arbeit zu geben. Ihre Begründung: TikTok dürfe man nicht den Rechtsextremen überlassen. Besonders nicht mit Blick auf die Nutzerinnen und Nutzer – denn zahlreiche junge Menschen informieren sich auf der Videoplattform.
„Wir würden doch auch im echten Leben nicht einfach zuschauen, wenn die Rechtsextremen Dialogräume und Treffpunkte junger Menschen kapern und besetzen“, kritisiert Blumenthal im Gespräch mit t-online.
Rechte sprechen gezielt junge Menschen an
Wie Rechte gezielt junge Menschen auf TikTok adressieren, zeigt das Beispiel Maximilian Krah. Der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl lässt auf TikTok Sätze fallen wie: „Rechts heißt, dass du – egal ob zu Hause, in der Schule, im Sportclub oder mit Freunden – immer dasselbe erzählst und dich nicht wie ein Blatt im Wind anpasst. Linke und Liberale, das sind die Blätter im Wind. Ein Wind kommt oder ein Laubbläser und sie werden weggepustet.“ Und damit kommt er offenbar besonders bei jungen Männern gut an. Doch längst nicht nur auf Europa- und Bundesebene wissen Rechte und Rechtsextreme, die Videoplattform für sich zu nutzen.
Die AfD Hamburg schneidet Reden von Nockemann und Co. etwa aus Bürgerschaftssitzungen zu kurzen Schnipseln zusammen – untertitelt mit knalliger Schrift und Phrasen wie „Grüne Asyllüge“ und „Masseneinwanderung“. Teilweise erzielen sie Hunderttausende Aufrufe von einzelnen Videos. In den Kommentaren gibt es dafür viel Beifall.
Nicht nur unter den Videos von AfD und rechten Influencerinnen und Influencern sammelt sich rechtes Gedankengut. Auch in den Kommentarspalten der Videos der Hamburger Grünen-Chefin Blumenthal verbreitet sich teilweise rechter Hass und Rassismus. „Landesvorsitzende der Grünen in Hamburg, Migrantin aus dem Iran! Ich glaube, ich muss wegziehen aus Hamburg“, kommentiert jemand unter ihrem ersten Video. Schrecken auch solche teils ungefilterten verbalen Angriffe von der politischen Arbeit in den sozialen Medien wie TikTok ab?
Blumenthal: „Man braucht ein dickes Fell“
„Man braucht ein dickes Fell und ein unterstützendes Umfeld, wenn man sich dort hineinbegibt“, sagt Blumenthal. Es würden sie jedoch auch viele positive Reaktionen auf ihre digitalen Auftritte erreichen.
Blumenthal sorgt sich, dass sie durch TikTok noch mehr Aufmerksamkeit von Rechtsextremisten auf sich ziehen könnte. Dennoch sagt sie: „Ich stehe als Landesvorsitzende aber nun mal auch in der Öffentlichkeit. Und die Sorge darf uns nicht davon abhalten, aufzuklären und für unsere demokratischen Werte einzutreten.“
Auch die Hamburger SPD sieht eine wachsende Relevanz von TikTok in ihrer politischen Arbeit. „Obwohl – Stand heute – weder unsere Landesvorsitzenden noch die SPD Hamburg selbst auf der Plattform vertreten sind, spielt das Thema TikTok bei der SPD Hamburg eine immer größere Rolle“, erläutert Manuel Preuten, Sprecher der Hamburger SPD.