Behörden hatten fast 800.000 Euro beschlagnahmt, von denen sie annahmen, sie würden der „Letzten Generation“ gehören. Jetzt müssen sie das meiste Geld wieder freigeben.
Polizei und Staatsanwaltschaft hatten die Razzia generalstabsmäßig vorbereitet. Am frühen Morgen des 24. Mai schlugen sie in sieben Bundesländern zu. 170 Beamte durchforsteten Geschäftsräume und Wohnungen, die die Ermittler der „Letzten Generation“ zuordneten. Der Vorwurf lautete auf Bildung, beziehungsweise Unterstützung, einer kriminellen Vereinigung. Auch Konten der Klimakleber seien beschlagnahmt worden, teilten die Behörden damals mit.
Sieben Monate später hat das Landgericht München den Ermittlern nun eine herbe Niederlage verpasst: Sie müssen einen Großteil des beschlagnahmten Geldes wieder freigeben.
Ein Sprecher des Gerichts bestätigte am Freitag einen entsprechenden Bericht von „Zeit Online“. Demnach hatten die Behörden fast 795.000 Euro beschlagnahmt, von denen aber nur ein kleiner Teil von 70.000 Euro tatsächlich der „Letzten Generation“ gehörte. 725.000 Euro seien also zu viel eingefroren worden, urteilte das Gericht.
„Letzte Generation“ hatte Geld einem Finanz-Start-up anvertraut
Hintergrund ist, dass die Klimakleber von der „Letzten Generation“ ihr Geld einem Finanz-Start-up anvertraut hatten. Das Unternehmen namens Elinor bot sogenannte Gruppenkonten an, laut dem Firmen-Gründer zum Beispiel für Chorgruppen, Fußballteams, Klassenkassen oder Selbsthilfegruppen. Gleichgesinnte könnten so leicht und unbürokratisch gemeinsam ihr Geld verwalten.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bestätigte laut „Zeit Online“, dass das Geschäftsmodell legal ist. Mehr als 1.400 Konten seien bei der Plattform registriert gewesen, teilte Elinor mit. Auf einem dieser Konten hatte die „Letzte Generation“ 69.972 Euro angelegt – Geld, das dem Start-up letztlich zum Verhängnis wurde. Gründer Lukas Kunert geriet selbst in den Fokus der Ermittlungen, ihm wurde Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Er sagt, sein Unternehmen sei in das Verfahren gegen die „Letzte Generation“ hineingezogen worden.
Trotz Erfolg vor Gericht: Unternehmen muss Tätigkeit einstellen
Das Unternehmen legte Beschwerde gegen das Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft München ein – ebenso wie die Klimagruppe „Fridays for Future“, denn auch die hatte bei Elinor Geld angelegt. Auch das war im Zuge der Ermittlungen gegen die „Letzte Generation“ beschlagnahmt worden.
Nun verzeichneten sie einen Erfolg: Aus Sicht des Landgerichts überwiegt das Interesse der anderen Elinor-Kunden, über ihr Geld verfügen zu können. Die Beschlagnahmung des gesamten Betrages sei unverhältnismäßig gewesen. Start-up Gründer Lukas Kunert sagte: „Die Entscheidung stärkt unser Vertrauen in den Rechtsstaat. Leider war das aber zu spät für die vielen Gruppen, die Elinor bereits genutzt haben.“ Das Unternehmen habe nach der Razzia und der Beschlagnahmung der 794.289 Euro seine Tätigkeit einstellen müssen. Ende Oktober 2023 sei die Liquidation beantragt worden.
Leidtragende seien die Gruppen, die bei Elinor ihre Konten hatten. Das wird auch aus vielen Zuschriften deutlich, die teils auf der Website des Unternehmens zitiert werden: „Auch wir waren Teil von Elinor mit unserer Selbsthilfegruppe für die seltene Erkrankung Pulmonale Hypertonie. Wir sind kein Verein, wir sind auch kein nicht eingetragener Verein, wir sind einfach nur eine PH Selbsthilfe. Habt Ihr eine Idee, wo wir trotzdem ein Konto gründen könnten, was uns allen gehört?“, heißt es dort etwa. Doch ein solches Angebot fehle nun, schrieb Kunert.