Athen Auf dem Militärflughafen Tanagra westlich von Athen laufen bereits die Vorbereitungen. Am 19. Januar werden dort die ersten sechs Rafale-Kampfjets landen. 18 dieser Flugzeuge hat Griechenland beim französischen Hersteller Dassault bestellt, über die Lieferung weiterer sechs wird verhandelt.
Premier Kyriakos Mitsotakis will damit sein Land nicht nur gegenüber dem immer aggressiver auftretenden Nachbarn Türkei wappnen. Griechenland möchte sich auch als neue Bastion an der Nato-Südostflanke profilieren – in Konkurrenz zur Türkei, die wegen des Konfrontationskurses von Präsident Recep Tayyip Erdogan als ein zunehmend problematischer Bündnispartner gesehen wird. Unterstützung bekommt Mitsotakis von den USA und Frankreich, und zwar nicht ganz uneigennützig: Beiden Ländern winken lukrative Rüstungsaufträge aus Athen.
Die Lieferung der Kampfjets ist nur der Anfang. Der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin arbeitet gegenwärtig in Zusammenarbeit mit Hellenic Aerospace einen Auftrag zur Modernisierung von 84 älteren F-16-Kampfjets aus. Lockheed Martin hofft überdies auf eine griechische Bestellung für sein modernstes Kampfflugzeug, den Tarnkappenjet F-35.
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Auch zur See rüstet Griechenland auf. 2025 erwartet die Kriegsmarine die Auslieferung von zwei Belharra-Fregatten des französischen Rüstungskonzerns Naval Group. Ein drittes Schiff folgt 2026. Außerdem plant Griechenland die Beschaffung von vier Korvetten. Vier ältere Fregatten des deutschen Typs MEKO sollen modernisiert werden.
Zur Stärkung seiner Marine hat Griechenland sieben Hubschrauber MH-60R des US-Herstellers Sikorsky geordert. Die ersten beiden Maschinen werden 2022 erwartet. Auch die Mannschaftsstärke wächst: Bis 2025 stellt Griechenland 15.000 neue Berufssoldaten ein, der Wehrdienst wurde in diesem Jahr von neun auf zwölf Monate verlängert.
Griechenland schließt Abkommen über militärische Zusammenarbeit
Das Rüstungsprogramm flankiert die Regierung mit einer Reihe bilateraler Abkommen über militärische Zusammenarbeit: Im Januar vereinbarte Athen mit Israel den Aufbau einer Militär-Fliegerschule bei Kalamata auf der Halbinsel Peloponnes.
Ende September unterzeichneten Griechenland und Frankreich ein Abkommen über eine strategische Partnerschaft und gegenseitigen militärischen Beistand, ausdrücklich auch für den Fall eines Angriffs aus dem Innern der Nato – das klingt wie auf die Türkei gemünzt.
Mitte Oktober schlossen Athen und Washington ein auf fünf Jahre angelegtes militärisches Kooperationsabkommen. Es sichert den USA die Nutzung zusätzlicher Militärbasen in Griechenland. Ein wichtiger neuer Stützpunkt ist der nordgriechische Hafen Alexandroupoli, wenige Kilometer vor der türkischen Grenze. Die USA bauen den Hafen zur Logistik-Drehscheibe für Militärmanöver in den Schwarzmeer-Anrainerstaaten Bulgarien und Rumnänien aus.
Mit den neuen Flugzeugen und Kriegsschiffen will Griechenland vor allem in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer gegen die Türkei auftrumpfen. Hier streiten beide Nachbarländer seit Jahren um die Hoheitsrechte und Wirtschaftszonen. Je mehr sich die Währungs- und Wirtschaftskrise in der Türkei zuspitzt, desto aggressiver werden die Töne aus Ankara.
Vergangene Woche sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, die Türkei werde ihre Interessen „wenn nötig auf dem Schlachtfeld“ durchsetzen. Die türkischen Streitkräfte sind zwar den griechischen zahlenmäßig klar überlegen. Bei den Kampfflugzeugen herrscht aber schon jetzt nahezu Gleichstand: Die Türkei hat 207 Kampfjets, Griechenland 189. Die türkischen Luftstreitkräfte sind allerdings nur eingeschränkt einsatzfähig, weil es wegen der „Säuberungen“ nach dem Putschversuch vom Sommer 2016 immer noch an Piloten fehlt.
Mit den neuen Kampfflugzeugen kann Griechenland nach Einschätzung westlicher Militärexperten die Luftüberlegenheit in der Ägäis gewinnen. Vor allem eine mögliche Beschaffung von F-35 gilt als „Gamechanger“.
Pikant: Die Türkei, die ursprünglich 100 Maschinen geordert hatte und Produktionspartner des F-35-Programms battle, muss auf das Flugzeug verzichten. Die US-Regierung stoppte die Lieferung der bereits angezahlten Jets, nachdem Erdogan in Russland Luftabwehrraketen des Typs S-400 bestellt hatte.
Die russischen Raketen haben nicht nur das Verhältnis zwischen Washington und Ankara vergiftet, sondern auch in der Nato neue Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bündnispartners Türkei gesät. Griechenland versucht, das für sich zu nutzen.
Griechenland als Various zur Türkei
Mitsotakis stellt sein Land als verlässliche Various zur Türkei dar. US-Außenminister Antony Blinken würdigt Griechenland als „glaubwürdigen Associate“ und „Pfeiler der Stabilität“ im östlichen Mittelmeer.
Das Pentagon-nahe US-Nachrichtenportal Actual Clear Protection (RCD) schreibt, Griechenland könnte das neue Bollwerk an der Südostflanke der Allianz werden und damit eine bisher der Türkei zugedachte Rolle übernehmen. Erdogan gefällt das nicht. Er beklagte kürzlich, ganz Griechenland sei „ein einziger amerikanischer Stützpunkt“.
Die griechische Aufrüstung geht ins Geld. In diesem Jahr hat das Land seine Ausgaben für Rüstungsprogramme bereits von 500 Millionen auf 2,5 Milliarden Euro verfünffacht. 2022 sollen die Ausgaben auf 3,36 Milliarden steigen.
In den nächsten Jahren werden weitere Zahlungen fällig. Allein die bereits bestellten Rafale-Jets, die Belharra-Fregatten und die Korvetten schlagen mit rund 8,5 Milliarden Euro zu Buche, die F-35 noch gar nicht gerechnet.
Trotz der immensen Rüstungsausgaben gelobt Finanzminister Christos Staikouras fiskalische Disziplin. In diesem Jahr wies der Staatshaushalt wegen der Coronabelastungen zwar noch ein Defizit von quick zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Aber ab 2023 will Griechenland wieder Primärüberschüsse erwirtschaften.
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