Rad-Runde von Bremen aus
Geheimtipp: Durch die Weite zum „Weltdorf“
Aktualisiert am 20.09.2024 – 03:14 UhrLesedauer: 5 Min.
Bremen kann mehr als Stadtmusikanten und Werder, auch die Natur rund um die Hansestadt ist zu empfehlen. Am besten erkundet man sie mit dem Rad.
Worpswede ist beliebt. Kunstfreunde aus aller Welt begeben sich in der ehemaligen Künstlerkolonie auf Spurensuche. Es sind Hunderte, an manchen Tagen sogar Tausende, die den Ort nordwestlich von Bremen besuchen, Tagestouristen vor allem.
Und fast alle kommen mit dem Auto. Dabei ist eine Annäherung mit dem Fahrrad nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch sonst empfehlenswert. So taucht man doch ein in eine Landschaft, die einst schon so unterschiedliche Künstler wie Fritz Mackensen und Paula Modersohn-Becker faszinierte.
Die Gebrauchsanweisung für einen nachhaltigen Worpswede-Ausflug geht so: Man fahre mit dem Zug nach Bremen, leihe sich ein Rad und starte zu einer 62 Kilometer langen Rundfahrt, die sich „Stadt, Land, Kunst“ nennt und für die man sich mindestens einen, besser aber zwei oder drei Tage Zeit nehmen sollte.
Das Blockland: Aus der Großstadt ins unendliche Grün
Direkt hinter dem Bremer Hauptbahnhof taucht bereits der erste Wegweiser auf: ein weißer Torfkahn auf rotem Grund. Wobei man oft gar keine Schilder braucht, sondern einfach nur dem Lauf eines Flusses folgt, in diesem Fall sind es sogar gleich vier: Wümme, Hamme, Beek und Wörpe.
Zunächst führt der Weg durch den Bremer Bürgerpark, früher eine baumlose Viehweide, bis der Landschaftsgärtner Wilhelm Benque hier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine grüne Oase schuf. Wer sonst nichts sieht von Bremen, der könnte die Stadt für eine riesengroße Parkanlage halten, wären da nicht, nur ein paar Radumdrehungen weiter, eine Autobahn und ein Müllheizkraftwerk. Wobei dieser Hinweis kleinlich ist, angesichts dessen, was folgt.
Denn plötzlich steht man vor einem schier endlosen Grün, genauer: dem Blockland, lauter Feuchtwiesen, durchzogen von langen Entwässerungsgräben. Holländische Siedler haben das Land an der Wümme vor Jahrhunderten urbar gemacht, sieben der alten Wohnwarften sind noch vorhanden. Auf einer thront der Hof Bavendamm, ein Biobetrieb mit angeschlossenem Café.
Wenn es hier Heißgetränke und Kuchen gibt, ist auf den Radwegen noch mehr los als sonst, vor allem an Wochenenden. In der Nebensaison ist man dagegen gut beraten, sich vorab über die Öffnungszeiten zu informieren.
Eigentlich bräuchte man in dieser flachen Gegend kein E-Bike, würde der Wind nicht immer wieder steif von vorn kommen, wie der Norddeutsche zu sagen pflegt. Und der Weyerberg, die einzige nennenswerte Erhebung weit und breit, kommt ja noch. Ansonsten ist man bestenfalls beim Wümmedeich gefordert.
So radelt man still vor sich hin, mal leicht erhöht auf dem Deich, mal hinter dem Deich, bis in der Ferne die rote Spitze eines Kirchturms aus dem satten Grün ragt: Heiliger Georg im Lande der Gräser – ein großer Name für die eher kleine Kirche der Kirchengemeinde St. Jürgen. Bereits im 12. Jahrhundert errichteten hier Siedler ein Gotteshaus auf einer Warft.
Noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein konnte die Kirche oft nur mit dem Boot erreicht werden, weil das umliegende Niedermoor unter Wasser stand. „Es gibt alte Fotos, da laufen die Leute vor der Kirche Schlittschuh“, sagt Pastor Wildrik Piper. Mit etwas Zeit im Gepäck lassen sich im Kircheninnern die dezenten Malereien, darunter ein Bildnis des Teufels, oder auch die Inschriften der alten Grabsteine angemessen studieren.
Die nächste Station: Tietjens Hütte. Hier kann der geneigte Radfahrer bei Bratkartoffeln über das schwere Los der Moorbauern sinnieren, die früher mit ihren Kähnen auf der Hamme unterwegs waren. Auf dem Fluss transportierten sie den Torf, den sie im Teufelsmoor gestochen hatten, nach Bremen – Brennstoff für die Hansestädter.