Um die Abnehmspritze Ozempic entbrannte in den vergangenen Jahren ein Hype. Nun zeigt sich offenbar eine bislang unbekannte Nebenwirkung. Der Hersteller reagiert.
Ozempic ist der Handelsname für den Wirkstoff Semaglutid. Er ist seit einigen Jahren in den USA für die Behandlung von durch Diabetes bedingtes Übergewicht zugelassen. In Deutschland ist die Fett-weg-Spritze seit Juni 2023 auf dem Markt (höher dosiert auch unter dem Namen „Wegovy“).
Seit der Zulassung hat sich nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande ein Hype um das Medikament entwickelt. Es wird von vielen Menschen zweckentfremdet und ausschließlich zum Abnehmen verwendet. Auch viele Prominente heizen den Hype um das Medikament an.
Nun häufen sich Berichte, dass das Medikament eine bislang unerkannte Nebenwirkung nach sich ziehen könnte. In den sozialen Medien wie TikTok, Facebook und Reddit berichten Frauen, dass sie unter der Ozempic-Einnahme schwanger wurden – sowohl ungeplant oder überraschend als auch ungewollt.
„Ozempic-Babys“ in den sozialen Medien
Wie amerikanische und britische Medien berichten, etabliert sich für den Nachwuchs bereits der Name „Ozempic-Babys“. Frauen teilen ihre Erfahrungen, wie sie unter der Medikamenteneinnahme nach oft jahrelangen Versuchen schnell schwanger wurden.
Andere berichten, dass sie trotz Einnahme der Antibabypille schwanger wurden. Auch einige Gynäkologen und Diabetologen bestätigen die – wenn auch bislang vereinzelten – Beobachtungen.
Wie wirkt Ozempic?
Semaglutid wirkt ähnlich wie das körpereigene Dünndarmhormon GLP-1. Es verlangsamt die Magenentleerung und senkt den Blutzuckerspiegel. Damit hemmt es den Appetit und erhöht das Sättigungsgefühl. Studien bestätigten einen Abnehmerfolg, der im Bereich von 10 bis 20 Prozent des Körpergewichts liegt.
Gegenüber „People“ erklärte die Gynäkologin und Direktorin des Adipositaszentrums bei Northwell Health, Dr. Iman Saleh: „Ich habe tatsächlich einige Patienten von mir gesehen, die nach ein paar Monaten der Einnahme des Medikaments zur Gewichtsabnahme zu uns kamen und diese Überraschungsbabys oder Überraschungsschwangerschaften hatten.“
Wirkung noch nicht ganz geklärt
Zwei Gründe werden für diese Wirkung angeführt.
Zum einen ist bekannt, dass Übergewicht und damit einhergehende Stoffwechselstörungen zu einer verminderten Fruchtbarkeit führen. Fett hat eine hormonelle Wirkung und kann sich auf die Menstruation und den Eisprung und somit auf die Fortpflanzungsfähigkeit auswirken. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Wird Fett abgebaut, kann sich die Fruchtbarkeit erhöhen.
Daher sei es nicht allzu überraschend, dass Medikamente zur Gewichtsreduktion vielen Frauen helfen können, schwanger zu werden, erklärte Utsavi Shah, Assistenzprofessorin für Gynäkologie und Adipositasmedizin in Houston gegenüber „USA Today“.
Der zweite Grund ist komplizierter und bislang offenbar nicht ausreichend erforscht. Eine Wechselwirkung mit der Antibabypille wird derzeit nicht ausgeschlossen. Da Medikamente wie Ozempic die Magenentleerung verzögern, könnten sie die Aufnahme und damit die Wirkung oraler Medikamente (Tabletten, Kapseln) beeinflussen. Damit könnte der verhütende Effekt der Pille herabgesetzt werden. Andere Hersteller vergleichbarer Medikamente raten Frauen, die verhüten, zu einer zusätzlichen Verwendung von Kondomen – zumindest in der Anfangsphase.
Der Hersteller reagiert
Wie die „Washington Post“ berichtet, reagierte der Ozempic-Hersteller Novo Nordisk mit einer Stellungnahme: „Schwangerschaft oder die Absicht, schwanger zu werden, waren Ausschlusskriterien in unseren Studien mit Semaglutid sowohl bei Fettleibigkeit als auch bei Typ-2-Diabetes“.
Die Sorge: Die Einnahme des Medikaments könnte sich als ein Risiko für den Fötus darstellen. Das Unternehmen sammele Daten, um die Sicherheit einer Schwangerschaft während der Anwendung von Semaglutid, zu bewerten, so der Unternehmenssprecher.
„Aus wissenschaftlicher Sicht ist es wahr, dass diese Medikamente es den Menschen leichter machen könnten, schwanger zu werden“, sagte Dr. Allison Rodgers, Gynäkologin und reproduktive Endokrinologin, in Illinois gegenüber „USA Today“. „Aber man muss vorsichtig sein, denn die Einnahme während der Schwangerschaft könnte gefährliche Folgen haben, da die Medikamente im Körper verbleiben können.“
Wirkung auf den Fötus noch unklar
Frauen sollten auf keinen Fall Medikamente zur Gewichtsreduktion einnehmen, um schwanger zu werden, warnen die Experten weiter. Studien an Ratten, Kaninchen und Affen hätten gezeigt, dass diese Medikamente bei Einnahme während der Schwangerschaft zu Fehlgeburten und Geburtsfehlern führen können. Studien an Menschen liegen nicht vor. Arzneimittelhersteller würden Frauen empfehlen, die Einnahme von Medikamenten zur Gewichtsabnahme mindestens zwei Monate vor einer geplanten Schwangerschaft zu beenden.
Auch Verwenderinnen vergleichbarer Medikamente wie Ozempic berichten über ähnliche Erfahrungen in Bezug auf die Möglichkeit, schwanger zu werden. Der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) liegen bislang noch keine entsprechenden Spontanmeldungen vor, so die „Pharmazeutische Zeitung“.