New York Seine Erwartungen hatte der ukrainische Präsident schon vorab deutlich herunterschraubt: Was sollen Friedensgespräche mit den Russen bringen, wenn zugleich in weiten Teilen des Landes gekämpft wird und Kremlchef Wladimir Putin drohend die eigenen atomaren Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt?
Dennoch, so Wolodimir Selenski, soll ihm niemand den Vorwurf machen können, nicht jeden Versuch zu einer friedlichen Lösung unternommen zu haben. Sein Fazit: „Ich glaube nicht an ein Ergebnis dieses Treffens, aber lasst es uns versuchen.“
Und so haben am Montagmittag zwei Delegationen aus Russland und der Ukraine an der ukrainisch-belarussischen Grenze Friedensverhandlungen aufgenommen. Der belarussische Außenminister Wladimir Makej habe die Gespräche eröffnet, meldeten belarussische Staatsmedien und veröffentlichten Movies. Zuvor hatte Selenskis Büro erklärt, Ziel der Gespräche sei ein unmittelbarer Waffenstillstand und der Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine.
Zugleich bekräftigte Selenski seine Verbundenheit mit dem Westen, verbunden mit der Forderung nach einem EU-Beitritt seines Landes in einem Eilverfahren. Die Ukraine müsse von der Europäischen Union im Rahmen eines Sonderverfahrens schnell aufgenommen werden, sagt der Präsident in einer aktuellen Videoansprache. „Unser Ziel ist es, mit allen Europäern zusammen zu sein und, was am wichtigsten ist, gleichberechtigt zu sein. Ich bin sicher, dass das truthful ist. Ich bin sicher, dass wir es verdienen.“
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Bei der EU-Kommissionspräsidentin findet Selenski mit dieser Forderung zunehmend Gehör. So sagte Ursula von der Leyen auf die Frage einer Reporterin des Senders Euronews nach einer Aufnahme des Landes in die Gemeinschaft: „Im Laufe der Zeit gehören sie tatsächlich zu uns. Sie sind einer von uns, und wir wollen sie drin haben.“
Deutlich wird an diesem Montag auch, dass die Finanzsanktionen, mit denen der Westen Russland belegt hat, nicht verpuffen. So mussten die russische Zentralbank und das Finanzministerium mit drastischen Maßnahmen reagieren: Sie verdoppelten unter anderem den Leitzins und begrenzten den Handel mit der russischen Währung Rubel. Die Börse Moskau bleibt sogar geschlossen.
Rubel im freien Fall
Der Rubel verlor am Montag zeitweise rund 30 Prozent an Wert, am Mittag waren es noch 14 Prozent gegenüber dem Kurs vom Freitagabend.
Die Währungshüter erhöhten den Leitzins von 9,5 auf 20 Prozent, wie sie am Montag in Moskau ankündigten. Sie signalisierten zugleich ihre Bereitschaft zu weiteren Anhebungen. Auch die belarussische Zentralbank hob den Leitzins von 9,25 auf 12,0 Prozent an.
Die höheren Zinsen sollen dem Abwertungsrisiko der Landeswährung Rubel und Inflationsgefahren entgegenwirken. „Das erlaubt es, die Preise und Finanzen stabil zu halten und die Einlagen der Bürger vor einer Entwertung zu schützen“, begründete der Regulator den Schritt.
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Dax im Minus, Waffenproduzenten im Plus
Die Lage in der Ukraine setzt auch Europas Börsen zu. Der Dax verlor am Montag 2,4 Prozent auf 14.221 Punkte, der Euro Stoxx 50 fiel um drei Prozent auf 3850 Zähler. Die Futures auf die US-Indizes gaben jeweils etwa ein Prozent nach.
Gleichzeitig verhalf die Aussicht auf eine Aufrüstung des Westens den heimischen Waffenproduzenten zu Rekord-Kurssprüngen. Rheinmetall verzeichnet ein Plus von knapp 50 Prozent. Die Aktien des Herstellers des „Leopard 2“-Panzers notierten mit 160 Euro zeitweise so hoch wie nie. Die Titel des Rüstungselektronik-Anbieters Hensoldt stiegen um quick 90 Prozent und die seines Großaktionärs Leonardo um rund 18 Prozent.
In London gewannen die Papiere von BAE Methods knapp 16 Prozent auf ein Rekordhoch von 756 Pence und steuerten damit auf den größten Tagesgewinn seit 35 Jahren zu. In Paris legten die Aktien von Thales etwa 16 Prozent zu.
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Hilfe für Flüchtlinge
Unterdessen versuchen immer mehr Menschen, das Kriegsgebiet zu verlassen – oder haben es bereits verlassen. Mehr als eine halbe Million Menschen sollen infolge der russischen Invasion in die Ukraine aus dem Land geflüchtet sein. Das gab das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) am Montag bekannt. Der Chef des Flüchtlingshilfswerks, Filippo Grandi, veröffentlichte die Zahl bei Twitter und erklärte, die Menschen seien in Nachbarländer geflüchtet.
Die Europäische Union bereitet sich darauf vor, Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine ein Bleiberecht von bis zu drei Jahren zu gewähren. „Es ist unsere Pflicht, diejenigen aufzunehmen, die vor dem Krieg fliehen“, sagte der französische Innenminister Gerald Darmanin am Montag dem Fernsehsender France 2. Die EU-Innenminister werden sich am Donnerstag erneut treffen, um sich über die Particulars zu einigen.
Dabei geht es um die EU-Richtlinie zur Gewährung vorübergehenden Schutzes, die nach dem Krieg auf dem Balkan in den 1990er-Jahren ausgearbeitet, aber bisher nicht angewandt wurde.
Sie sieht für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren in allen EU-Staaten das gleiche Schutzniveau vor, einschließlich einer Aufenthaltsgenehmigung, Zugang zu Beschäftigung, Sozialhilfe und medizinischer Versorgung.
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Wende in der Energiewende?
Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat zurückhaltend auf die Debatte über eine Laufzeitverlängerung der letzten drei Atommeiler reagiert. Es verstehe sich von selbst, dass aufgrund der aktuellen Scenario vieles infrage gestellt und geprüft werde, sagt er am Montag. „So weit sind wir längst noch nicht“, betonte er gleichzeitig.
Man werde sich auf alle Eventualitäten vorbereiten und arbeite dafür, dass diese nicht einträten. Zuvor hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine Verlängerung nicht ausgeschlossen, sie aber skeptisch beurteilt.
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Daimler Truck kappt Verbindung nach Russland
Der weltgrößte Lastwagenbauer Daimler Truck hat wegen des Ukrainekrieges alle geschäftlichen Aktivitäten in Russland vorerst eingestellt. „Wir stehen als Unternehmen für eine friedliche globale Zusammenarbeit und lehnen jede Kind von militärischer Gewalt kategorisch ab“, sagte ein Sprecher des Unternehmens in Stuttgart. Zuvor berichtete das Handelsblatt, dass Daimler Truck die Kooperation mit dem russischen Panzerwagenhersteller Kamaz gestoppt hatte.
Daimler Truck kooperiert nach eigenen Angaben seit 2012 mit dem russischen Lkw-Hersteller Kamaz, den es mit Teilen für zivile Fahrzeuge beliefert. Diese Lieferungen seien nun eingestellt worden. „Wir haben mit militärischen Fahrzeugen von Kamaz nie etwas zu tun gehabt“, hieß es aus Stuttgart.
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Schalke trennt sich von Gazprom
Fußball-Zweitligist FC Schalke 04 trennt sich im Zuge der russischen Invasion in die Ukraine vorzeitig von seinem umstrittenen Hauptsponsor Gazprom. Dies habe der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats beschlossen, teilten die Gelsenkirchener am Montag mit. Für die Schalker bedeutet dies einen harten Einschnitt. Der russische Staatskonzern, einer der großen Gasversorger Deutschlands, warfare bislang wichtigster Geldgeber des mit rund 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten belasteten Traditionsklubs. Der Kontrakt läuft eigentlich noch bis 2025.
Schalke versicherte in der Mitteilung aber: „Die vollständige finanzielle Handlungsfähigkeit des Vereins bleibt von dieser Entscheidung unberührt. Die Vereinsführung ist zuversichtlich, zeitnah einen neuen Accomplice präsentieren zu können.“
So berichtet das Handelsblatt über die Entwicklungen im Ukrainekrieg:
Mit Agenturmaterial
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