Die Essenerin Katja Rendl fotografiert über die Organisation „Dein Sternenkind“ totgeborene Kinder. Warum die Fotos für Eltern wichtig sind und wie ihr Umfeld auf ihren Beruf reagiert.
Es gibt einen Satz, den Katja Rendl sagt, den man vermutlich erst am Ende des Textes versteht. Erst dann, wenn man mehr als eine halbe Stunde mit ihr gesprochen hat und eine ihrer Geschichten von Anfang bis Ende gehört hat. Denn manchmal, wenn Rendl, nachdem sie ein totes Kind fotografiert hat, nach Hause kommt, sagt sie: „Das war ein schöner Einsatz.“
Eins dieser Kinder war Mina. Ihre Eltern wussten schon während der Schwangerschaft, dass das Mädchen kurz nach der Geburt versterben würde – Katja Rendl sollte diejenige sein, die das erste und das letzte Foto von Mina macht. Dafür hatte sich die heute 39-Jährige ehrenamtlich bei der Organisation „Dein Sternenkind“ erst wenige Tage zuvor registriert.
Die Herausforderung: Sternenkinder fotografieren
Fotografieren, so wusste sie – „das kann ich“. Schließlich hatte Rendl jahrelang als selbstständige Fotografin gearbeitet. Aber ein Sternenkind fotografieren? „Das ist etwas anderes als ein klassisches Familienfoto“, sagt die Fotografin. Als sie dann zum ersten Mal vor der Tür eines Kreißsaals stand, rasten ihr Tausende Gedanken durch den Kopf. Wie geht es den Eltern momentan? Wie wird die Stimmung sein? Was erwartet mich?
Inzwischen hat Rendl, die seit rund sechs Jahren dabei ist, Hunderte Sternenkinder fotografiert. Manchmal hat die App, über die sie alarmiert wird, sie wöchentlich angefordert. Manchmal mehrmals an einem Tag.
Ein Stück Normalität in dunkler Stunde
Routine kehrt nie ein, wenn ein Baby tot geboren wird. Aber Rendl weiß inzwischen, wie sie den Eltern in ihrer wohl dunkelsten Stunde ein Stück Normalität vermitteln kann. „Natürlich betrete ich nicht den Raum, reiße die Tür auf und rufe: Heute ist so schönes Wetter“, erklärt sie. „Aber ich komme eben auch nicht mit gesenktem Haupt und überschwänglicher Trauer.“
Wenn sie sich vorgestellt hat, spricht die Fotografin immer zuerst ein paar Worte mit dem Sternenkind. „Das ist ein erster Eisbrecher“, sagt Rendl. Dann beginne sie, zu fotografieren – so, wie sie die Situation vorfindet.
„Manchmal haben die Eltern das Kind auf dem Arm, manchmal liegt es im Bett oder je nach Größe in einem Moseskörbchen“, sagt sie. Rendl macht dann Fotos aus verschiedenen Perspektiven, vom Gesicht, von den Füßchen, im Ganzen. Manchmal hat das Kind ein Kuscheltier im Arm. Mina trägt auf ihrem Foto ein Armband mit ihrem Namen um das zarte Handgelenk.
Familienbande stärken
„Ich mache auch Fotos mit den Eltern zusammen, wenn sie ihr Kind festhalten, küssen oder streicheln“, erklärt Rendl. Wichtig ist es ihr, die Verbindung zwischen Eltern und Sternenkind festzuhalten. Manche Eltern bräuchten einen Anstoß, um die Scheu zu verlieren, ihr eigenes Kind anzufassen. „Bei einem meiner Einsätze hat der Vater im Vorfeld zu mir gesagt, er könne sich nicht vorstellen, das tote Kind anzufassen. Als ich dann da war, konnte er die Kleine gar nicht mehr loslassen“, erinnert sich Rendl.
Von Mina, ihrem ersten Sternenkind, haben sich Rendl die Fotos besonders ins Gedächtnis gebrannt. „Ich kann das nur machen, weil ich weiß, dass die Fotos für die Eltern ein großes und wertvolles Geschenk sind“, sagt die Essenerin. Darauf seien Momente festgehalten, für die kaum Zeit bleibe. Sie seien Zeugnis der Elternschaft, Hilfe in der Trauerarbeit und Ausdruck der Liebe.
Manche Sternenkinder sehen auf den Fotos aus, als würden sie bloß schlafen. Nur die Schwarz-Weiß-Färbung deutet dann darauf hin, dass die Kinder nicht lebendig sind. „Wenn ein Baby stirbt, sind Eltern wie in einem Tunnel. Später wissen sie manchmal nicht mehr, wie das Zimmer aussah, in dem sie waren oder wie das Deckchen aussah, in dem ihr Kind lag. Unsere Fotos helfen, sich daran zu erinnern“, sagt Rendl.