NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst stützt den Vorschlag von maximal 60.000 Flüchtlingen pro Jahr. Er hielt bei „Maischberger“ eine „Ruanda-Lösung“ in zwei Jahren für machbar.
Der Ruf nach einer Obergrenze für Flüchtlinge erhält vor dem Migrationsgipfel am Mittwoch Gewicht. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) schloss sich bei „Maischberger“ dem umstrittenen Vorschlag seines Parteifreundes und Amtskollegen aus Sachsen, Michael Kretschmer, an. Der hatte maximal 60.000 neue Flüchtlinge pro Jahr gefordert.
Die Gäste
- Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens
- Yasmine M’Barek, „Zeit Online“
- Michael Bröcker, „Table.Media“
- Jürgen Becker, Kabarettist
- Howard Carpendale, Sänger
„Ich glaube, das ist eine Zahl, die sich an dem orientiert, was wir hier verarbeitet kriegen“, sagte Wüst am Vorabend der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Noch so ein Jahr, on top immer noch mehr Menschen obendrauf, wird uns an die Grenzen dessen bringen, was überhaupt noch geht“, warnte der Ministerpräsident. „Und da reden wir schon lange nicht mehr von Integration, sondern nur noch von Unterbringung.“
Forderung nach Asylverfahren in Drittstaaten
Aber wie solle die Zahl auf 60.000 begrenzt werden, wenn im vergangenen Jahr 300.000 Menschen nach Deutschland gekommen seien?, fragte Maischberger. „Indem man beispielsweise umsetzt, was wir im November verabredet haben“, sagte Wüst unter Verweis auf den vorherigen Asylgipfel. Die Bundesregierung habe bislang aber kaum geliefert. „Ich glaube, sie will nicht, weil sie sich unglaublich schwertut miteinander“, machte der Ministerpräsident die internen Querelen der Ampelkoalition verantwortlich.
Wüst nannte als ein Beispiel die verabredete Stärkung der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, Frontex. „Kein Bild, kein Ton. Ich höre nichts davon, was gemacht worden ist“, kritisierte er bei „Maischberger“ und bekräftigte seine Forderung nach Asylverfahren in Drittstaaten. Eine sogenannte Ruanda-Lösung dürfe angesichts der massiven Flüchtlingsströme kein Tabu sein. Der Vorschlag hat seinen Namen nach einem Gesetz in Großbritannien, wonach Ruanda gegen Geldzahlungen Flüchtlinge nicht nur zurücknimmt, sondern auch selbst Asylverfahren durchführt.
„Wir verschließen die Augen davor, weil es kompliziert ist, weil es neu ist“, klagte Wüst. Er warnte: „Wir laufen in eine Situation der Überforderung rein, die Extremisten werden stärker und jährlich ertrinken Tausende Menschen im Mittelmeer.“ Auf Maischbergers Frage, wann eine „Ruanda-Lösung“ denn realistisch sei, antwortete er: „Das wird ein, zwei Jahre dauern. Aber noch einmal: Wenn man es gar nicht will, wird man es in zehn Jahren nicht hinkriegen.“
Apropos erstarkende Extremisten: „Sie sagen, die AfD ist eine Nazipartei. Wie kommen Sie darauf?“, wollte Maischberger von ihrem Gast wissen, der bei auffallend viel Applaus im Kölner Studio unüberhörbar Heimvorteil hatte. In der AfD würden nicht etwa die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla den Ton angeben, sagte Wüst: „Wer in den Vorstand gewählt wird, das entscheiden (Björn) Höcke und seine Spießgesellen.“
Wüst nennt AfD „Nazipartei“
Wüst attestierte dem Thüringer Spitzenkandidaten der AfD „einige brandgefährliche“ Aussagen, bei denen es ihm kalt den Rücken heruntergelaufen sei. „Wer denkt wie ein Nazi, spricht wie ein Nazi – warum soll ich den nicht auch so nennen? Und wenn das die führende Figur in dieser Partei ist, dann sage ich: Das ist eine Nazipartei. Und dabei bleibe ich auch“, sagte Wüst.
Mit Demonstrationen gegen die AfD sei es aber nicht getan, warnte der Christdemokrat. „Man muss die AfD bekämpfen und Probleme lösen“, forderte er und schwenkte zurück zum Migrationsproblem. Wüst warnte aber auch die protestierenden Bauern, sich nicht von AfD-nahen Gruppen unterwandern zu lassen.
Spekulationen über Berlin-Ambitionen
„Ich bin Hendrik Wüst und ich fühle mich in der Mitte ganz wohl“, sagte der NRW-Ministerpräsident an anderer Stelle in der Talkshow, als ihn die Gastgeberin aufforderte, sich zu Altbundeskanzlerin Angela Merkel oder dem CDU-Parteichef Friedrich Merz zu positionieren. Ein wenig schien sich Wüst bei „Maischberger“ hingegen wieder als möglicher Herausforderer von Merz bei der Kanzlerkandidatur der Union in Stellung zu bringen.
Maischbergers Aussage „Sie sind auf dem Sprung nach Berlin“ am Vorabend der Ministerpräsidentenkonferenz war da fast zweideutig. Wüst nutzte den Auftritt, um sich mit seiner schwarz-grünen Landesregierung als im Amt erprobter Hoffnungsträger der Mitte zu positionieren. „Wir können Brücken bauen in ein Milieu, das weder die CSU noch die CDU Nordrhein-Westfallen alleine erreicht“, sagte Wüst. Das habe in einer polarisierten Zeit einen besonderen Wert.
Bei der Wahl des Kanzlerkandidaten der Union werde es darum gehen, wer Wählergruppen erreichen könne, unterstrich Wüst bei „Maischberger“. „Dann guckt eine Partei natürlich auch drauf, wer hat gute Chance, wer erreicht Wählerinnen und Wähler? Das hat Friedrich Merz auch selber so gesagt. Und das werden wir uns alles in Ruhe angucken und dann entscheiden, wenn es verabredet ist“, verwies er auf die Zeit nach den Landtagswahlen im Osten.