Köln Die Kölner Hotelfirma Dorint, nach Motel One der zweitgrößte Übernachtungskonzern in deutschem Besitz, setzt ihren Kampf um ausstehende Corona-Entschädigungen fort. „Wir haben im Gegensatz zu den meist voll entschädigten Privathotels nur 45 Prozent unserer Ausfälle vom Staat erstattet bekommen“, berichtet Aufsichtsratschef Dirk Iserlohe dem Handelsblatt. „Wir sehen damit den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes verletzt.“
Für die 68 Häuser des Konzerns, der über Zwischengesellschaften der Allkauf-Erbenfamilie Viehof, dem Inhaber des Herforder Textilfabrikanten Leineweber („Brax“) und dem Ehepaar Iserlohe untersteht, geht es um etliche Millionen. „Die Coronapandemie hat uns 180 Millionen Euro gekostet“, rechnet Dirk Iserlohe vor. 20 Millionen Euro hätten die Gesellschafter durch eigenes Kapital ausgeglichen, 40 Millionen Euro seien dem Verzicht der Verpächter zu verdanken.
Gleichzeitig habe man 50 Millionen Euro an NRW-Bürgschaftskrediten aufnehmen müssen, da vom Staat gerade einmal Hilfen in Höhe von 70 Millionen Euro geflossen seien. „Bei den Coronahilfen berief sich die Bundesregierung auf angebliche Beihilfegrenzen der EU, sodass die Zuschüsse nach oben gedeckelt waren“, sagt der Dorint-Aufsichtsratschef. „Kleinere Wettbewerber bekamen damit dennoch zwischen 90 und 100 Prozent ihrer Ausfälle ersetzt.“
Der Weg durch die Gerichtsinstanzen gestaltet sich für Dorint allerdings denkbar mühsam. Mit dem Argument, die seinem Geschäft abträglichen Lockdowns seien eine rein präventive Maßnahme gewesen und daher schadenersatzpflichtig, scheiterte Iserlohe zunächst vor Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht. In ihrer mehrseitigen Urteilsbegründung wiesen die obersten Richter jedoch in einer Randbemerkung darauf hin, dass einzelne Unternehmen durch staatliche Hilfe nicht benachteiligt werden dürfen.
Mit diesem neuen Rechtsargument hat Iserlohe nun gegen die zuvor verhängte Nichtzulassung seiner Beschwerde geklagt. „Sobald der BGH unsere Nichtzulassungsbeschwerde erwartungsgemäß abschmettert, sind wir erneut beim Bundesverfassungsgericht“, sagt der 58-jährige Diplom-Kaufmann und hofft dabei, dass das Bundesverfassungsgericht bei seiner Meinung bleibt. Doch selbst bei einem für ihn positiven Urteil dürfte es dann dauern. Statt einer unmittelbaren Entschädigungszahlung müsste zunächst eine neue Verordnung her.
Immer noch in der Verlustzone
Dass Dorint die Coronakrise trotz der horrenden Verluste überhaupt überlebte, verdankt der Hotelkonzern nahezu einem Zufall. Nur sieben Monate vor dem Ausbruch der Pandemie hatte die Dachgesellschaft Honestis AG, die neben dem Hotelbetrieb auch das Immobilienvermögen verwaltet, das Herbergsgeschäft mit zusätzlichem Eigenkapital ausgestattet. „Damit konnten wir eine Überschuldung verhindern, die uns während der Coronakrise in den Verhandlungen mit Banken und Vermietern möglicherweise aus dem Rennen geworfen hätte“, sagt Iserlohe rückblickend.
Rote Zahlen
24
Millionen Euro
verzeichnet der Hotelkonzern Dorint für das Jahr 2022.
Einen Gewinn im Unternehmen aber wird es wohl auch in diesem Jahr noch nicht geben. Zwischen zehn und elf Millionen Euro Verlust peilt Iserlohe für 2023 an, nach einem Minus von 24 Millionen Euro im Vorjahr. Ab 2024 erwartet er wieder fünf Millionen Euro Gewinn – mit steigender Tendenz durch eine „kontrollierte Expansion“.
Insbesondere die Expansion soll das Geschäft wieder zurück in die schwarzen Zahlen führen. Bis zu zehn weitere Häuser sind bis Ende 2024 geplant, meist durch den Zukauf von Familienhotels mit 120 bis 130 Zimmern. Die Geschäftsausweitung, hofft Iserlohe, soll die Verwaltungs- und Marketingkosten anteilig senken.
Schon seit Längerem setzt die 1959 von dem Möbelunternehmer Werner Dornieden in Mönchengladbach gegründete Kette auf eine Ausweitung ihrer Standorte. 2022 übernahm man das ehemalige Interconti an Düsseldorfs Königsallee, Anfang des Jahres kam das einstige Hilton-Hotel an der Bonner Kennedybrücke hinzu, in Garching bei München eröffnete im Februar ein weiteres Haus mit 207 Zimmern. Im Anschluss an eine Sanierung soll außerdem das seit Jahren leer stehende Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach 2026 seine Türen öffnen. Insgesamt zehn Häuser kamen so während der Coronapandemie hinzu.
Um die vielen neuen Häuser mit den passenden Hotelkonzepten zu bespielen, teilte der Konzern den Betrieb in drei Segmente. Der bisherige Name Dorint steht seither nur noch für die meist größeren Häuser im Vier-Sterne-Bereich, die üblicherweise einen umfangreichen Tagungsbetrieb anbieten. Die zwölf Mal vergebene Marke „Essential by Dorint“ verspricht dagegen Boutique-Hotels, die einen Full Service bieten. Die bislang sechs Fünf-Sterne-Herbergen des Konzerns, darunter das ehemalige Interconti an der „Kö“, firmieren unter dem neuen Label „Hommage“.
Debatte um Mehrwertsteuersatz
Einen Renditezuwachs soll es zudem durch „mäßige Preisanhebungen“ geben, wie der Dorint-Aufsichtsratschef ankündigt. Bislang sei dies aber nur in bescheidenem Maße gelungen, bekundet er.
Erfolgreicher entwickelte sich für Dorint dagegen der Energieeinkauf. Statt sich über langfristige Strom- und Gasverträge an Versorgungsfirmen zu binden, besorgt sich die Kette ihre benötigte Energie inzwischen auf dem Spotmarkt. Die Unternehmensgröße – 2022 setzte man mit 4500 Mitarbeitern 253 Millionen Euro um – macht dies möglich. „Derzeit zahlen wir nur ein Viertel von dem, was Vattenfall und Co. privaten Haushalten berechnen“, berichtet Iserlohe. Für ihn eine absurde Folge der staatlichen Preiseingriffe in die Marktwirtschaft.
Doch die Einsparungen dürften ihm gerade recht kommen, denn die meisten übrigen Kosten klettern derzeit steil nach oben. Zehn Prozent muss das Unternehmen seit der Mindestlohnanhebung, die im vergangenen Jahr das komplette Tarifgefüge nach oben zog, fürs Personal ausgeben, um acht Prozent ging es mit den allgemeinen Kosten nach oben.
Ihrer Restaurantkette „Le Bistrot 99“ droht ab 2024 ein erheblicher Steueraufschlag.
(Foto: IMAGO/Horst Galuschka)
Dabei hat sich die Hotelbranche von Corona längst noch nicht vollends erholt, wie neulich das Statistische Bundesamt errechnete. Gegenüber dem letzten Jahr vor der Pandemie sanken die deutschen Übernachtungsumsätze inflationsbereinigt um 9,1 Prozent. „Die Stimmung bewegt sich zwischen Hoffnung und Skepsis“, klagt Dehoga-Verbandschef Guido Zöllick, der Kostendruck sei enorm.
Und schon stehen weitere Teuerungen ins Haus. Den Restaurants der Kette, die Iserlohes Ehefrau Heike in gleich mehreren Hotels unter dem Namen „Le Bistrot 99“ eröffnete, droht ab 2024 ein erheblicher Steueraufschlag. Wie in ganz Deutschland sollen dort die Mehrwertsteuersätze von sieben auf 19 Prozent steigen, nachdem die Bundesregierung den Steuersatz Mitte 2020 pandemiebedingt ermäßigte.
Man solle doch einen einheitlichen Steuersatz für Hotelübernachtungen und Gastronomie von zehn Prozent schaffen, schlug Iserlohe FDP-Finanzminister Christian Lindner vor. Der aber winkte umgehend ab. Ein vierter Mehrwertsteuersatz, beschied das Ministerium in Berlin, sei aus europarechtlichen Gründen nicht erlaubt.
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