Die Anlegerstimmung hat sich die vierte Woche in Folge verschlechtert.
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Düsseldorf Der deutsche Aktienmarkt bewegt sich seit Anfang April seitwärts, der Leitindex Dax verharrt seitdem in einer Handelsspanne von rund 400 Punkten. Doch bald könnte das Frankfurter Börsenbarometer aus dieser Spanne ausbrechen, meint Stephan Heibel, Geschäftsführer des Analysehauses AnimusX und Herausgeber des Börsenbriefs „Heibel-Ticker“.
Er leitet diese Einschätzung aus der Handelsblatt-Umfrage „Dax-Sentiment“ unter mehr als 8000 Privatanlegerinnen und -anlegern ab sowie aus der Auswertung weiterer Indikatoren. Die wöchentliche Umfrage startet jeden Freitagmorgen und endet Sonntagmittag.
Heibel hält derzeit zwei Szenarien für die weitere Dax-Entwicklung für möglich, beide hängen mit dem politischen Streit um die Erhöhung der Staatsschuldenobergrenze in den USA zusammen. Im schlimmsten Fall könnte dieser in der vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit der Vereinigten Staaten gipfeln.
Das erste Szenario wäre eine Eskalation des Streits. Sollte der Dax infolgedessen unter die psychologisch wichtige Marke von 15.500 Punkten fallen, könnte nach Heibels Einschätzung „eine schnelle und heftige Abwärtsbewegung“ folgen: „Ich gehe von einigen turbulenten Wochen aus, die uns bevorstehen.“
Neue Käufer könnten die fallenden Kurse schlussendlich aber als Kaufchance begreifen und eine schnelle Gegenbewegung nach oben auslösen. „Die lange Seitwärtsbewegung hat ein gewisses Spannungspotenzial aufgebaut, das zu einer heftigen Bewegung führen dürfte“, erklärt der Experte. „Doch der große Pessimismus unter den Anlegern sollte dann eine Verstetigung eines Abwärtstrends verhindern.“
Dahinter steht folgender Gedanke: Wenn die Stimmung am Markt schlecht ist, ist das ein Zeichen dafür, dass die Mehrzahl der Anlegerinnen und Anleger mit fallenden Kursen rechnet und sich für dieses Szenario vorbereitet hat. Und aktuell verschlechtert sich die Stimmung, wie die Umfrage des Handelsblatts zeigt.
Stimmung verschlechtert sich
Demnach ist die Anlegerstimmung (Sentiment) die vierte Woche in Folge gesunken und ist nun bei null angekommen. „Die gute Laune, die aus der seit vergangenem Herbst laufenden Erholungsrallye resultiert, verflüchtigt sich“, beobachtet Heibel.
Auch die Selbstzufriedenheit, die sich nach dem schweren Börsenjahr 2022 langsam aufgebaut hat, ist wieder verflogen. „Der Wert von minus 1,1 Prozent zeigt, dass Verunsicherung unter Anlegern wieder um sich greift“, sagt Heibel.
Die Zukunftserwartungen der Umfrageteilnehmer haben sich deutlich eingetrübt, der Wert ist auf minus 3,3 Prozent gefallen. Klammert man die Phase rund um die Pleite der Silicon Valley Bank im April aus – mit den darauf folgenden Ängsten vor einer globalen Bankenkrise –, ist das der niedrigste Wert seit dem Wahlsieg Donald Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl 2017. „Optimisten gibt es bereits seit einem Jahr unter deutschen Anlegern so gut wie gar nicht mehr“, konstatiert Heibel.
Dementsprechend ist auch die Investitionsbereitschaft gefallen. Mit minus 1,0 Prozent liegt sie – klammert man auch hier die Pleite der Silicon Valley Bank aus – auf dem niedrigsten Niveau seit einem Jahr. Seit Beginn der Sentiment-Umfrage 2014 gab es nur fünfmal niedrigere Werte.
Diese große Skepsis war bereits am Terminmarkt zu erkennen. Hier haben sowohl Privatanleger als auch institutionelle Investoren mit Put-Optionen Absicherungen gegen fallende Kurse aufgebaut, berichtet Heibel: „Nun wartet man die Entwicklungen an den Aktienmärkten ab.“
Sollten die Kurse infolge der Eskalation des Schuldenstreits fallen, würden diese Absicherungen greifen und die Kurse stabilisieren. Denn die Put-Optionen funktionieren im Prinzip wie Wetten auf fallende Kurse: Vereinfacht gesagt muss die Bank im Hintergrund den Dax verkaufen, wenn ein Anleger ein Put-Produkt auf den Dax kauft. Beim Verkauf des Derivats muss die Bank den Dax wieder zurückkaufen. Werden viele Absicherungen eingelöst, stabilisiert das also die Kurse.
Diese Situation wäre nach Einschätzung von Heibel dann die Einstiegschance. Zwar gebe es neben dem Schuldenstreit auch noch die hohe Inflation, die Sorgen vor steigenden Zinsen, Rezessionsängste, den Ukrainekrieg und den USA-China-Konflikt als weitere Belastungsfaktoren, doch überall gebe es positive Entwicklungen. „Die Krisen laufen inzwischen eher auf Lösungen als auf Eskalation zu“, meint Heibel.
Einigung hätte Überraschungspotenzial
Das zweite Szenario, das Heibel im Rahmen des US-Schuldenstreits für möglich hält, wäre noch optimistischer für den Dax. „Sollte es zu einer überraschenden Einigung im Schuldenstreit kommen, könnte der Dax nach oben ausbrechen“, sagt der Sentiment-Experte. „Die pessimistisch gestimmten Anleger wären falsch positioniert und müssten den Kursen hinterherlaufen, was die Rally nur befeuern würde.“
Heibel rät Anlegern deshalb, moderat investiert zu sein. Im Falle eines Ausbruchs aus der gegenwärtigen Handelsspanne nach oben wären sie in jedem Fall dabei. Gleichzeitig hätten sie genügend Cash, um im Falle eines Ausverkaufs Schnäppchen einzusammeln.
Hinter Erhebungen wie dem Dax-Sentiment mit mehr als 8000 Teilnehmern stehen zwei Annahmen: Wenn viele Anlegerinnen und Anleger optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben nur wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben können.
Umgekehrt gilt: Wenn die Anlegerinnen und Anleger pessimistisch sind, haben sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.
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