Der Bertelsmann- und RTL-Chef erwartet nur eine langsame Erholung der Werbemärkte.
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Düsseldorf Drei Monate nach dem angekündigten Jobkahlschlag bei dem Verlag Gruner + Jahr (G+J) laufen Gespräche mit betroffenen Mitarbeitern und Verhandlungen über den Verkauf von Magazintiteln. „Wir befinden uns in konstruktiven Verkaufsgesprächen“, teilte RTL Deutschland auf Anfrage mit. G+J wurde 2020 mit der Kölner TV-Gruppe fusioniert.
Anfang Februar hatten RTL und der Mutterkonzern Bertelsmann angekündigt, bei dem Hamburger Traditionsverlag 700 der 1900 Stellen zu streichen. Die Nachricht hatte für einen großen öffentlichen Aufschrei gesorgt. 45 von 58 Marken und Magazinen sollen verkauft oder eingestellt werden. Nur Kerntitel wie „Stern“, „Geo“ oder „Capital“ bleiben bestehen.
Die Stimmung am Verlagssitz sei schlecht, heißt es in Unternehmenskreisen. Viele Beschäftigte könnten die Entscheidung des Managements nicht nachvollziehen und hätten bereits neue Arbeitgeber gefunden. Vom Verlagssitz am Hamburger Baumwall verlautet auch, dass die zum Verkauf stehenden Titel bei den Verhandlungen als attraktiv bewertet würden.
Frühere Magazine von G+J wie „11 Freunde“, „Beef“ oder „Landlust“ sollen verkauft werden. Bis zum Sommer sollen die Gespräche abgeschlossen sein. Zu den erwarteten Erlösen wollte sich RTL nicht äußern.
Die Luxemburger TV-Gruppe ist unterdessen schwach ins neue Jahr gestartet. Der Umsatz sank im ersten Quartal um neun Prozent auf 1,4 Milliarden Euro. Die im MDax notierte Privatsendergruppe leidet insbesondere in Deutschland unter einem schwachen Werbemarkt. Viele Unternehmen sparen angesichts der schwachen Konjunktur und der hohen Inflation oft zuerst an Reklame.
Werbeumsätze bei RTL sinken
RTL nahm im ersten Quartal deutlich weniger Geld mit Werbung ein. Die Werbeumsätze sanken um 15,6 Prozent auf 700 Millionen Euro. Das wirkt sich rasch auf die Bilanz aus, RTL erzielt über 40 Prozent seiner Erlöse durch Werbung.
„Im Rahmen unserer Erwartungen waren die TV-Werbemärkte im ersten Quartal sehr herausfordernd“, sagte RTL-Chef Thomas Rabe. Er rechnet auch im laufenden Quartal nicht mit einer Erholung. RTL schätzt, dass die Netto-TV-Werbemärkte hierzulande im ersten Quartal 17 bis 18 Prozent unter Vorjahresniveau lagen.
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Dennoch hält RTL an seiner Prognose fest. Die TV-Gruppe rechnet mit einem Jahresumsatz von 7,3 bis 7,4 Milliarden Euro und einem operativen Gewinn von gut einer Milliarde. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass es wie erwartet einen Aufschwung bei den TV-Werbemärkten in der zweiten Jahreshälfte gebe.
Die Sendergruppe, zu der neben RTL Deutschland auch die französische TV-Gruppe M6 oder RTL Nederland gehören, äußert sich anlässlich der Quartalszahlen nicht zu ihren Gewinnen.
Bertelsmann wächst trotz RTL-Schwäche
Trotz des Umsatzrückgangs bei seiner wichtigsten Tochter hat der Mutterkonzern Bertelsmann seine Erlöse um 5,6 Prozent steigern können. Das Unternehmen der Eignerfamilie Mohn setzte im ersten Quartal 4,8 Milliarden Euro um. Das teilte Bertelsmann ebenfalls am Donnerstag mit.
Zum Konzernkonstrukt gehören auch die weltgrößte Buchgruppe Penguin Random House, das viertgrößte Musikunternehmen BMG oder der Dienstleister Arvato. Rabe, seit 2012 Chef von Bertelsmann, verfolgt die Strategie, das Portfolio des Konzerns zu diversifizieren, um sich unabhängiger vom konjunkturabhängigen Werbegeschäft zu machen. Die aktuellen Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit des Vorhabens.
Das Familienunternehmen ist mit einem Umsatzplus ins Jahr gestartet.
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Bertelsmann will im Rahmen seiner „Boost“ genannten Zukunftsstrategie von 2021 bis 2025 fünf bis sieben Milliarden Euro investieren – etwa in den Bereich digitale Gesundheit. Bertelsmann will Mitarbeitern im Gesundheitswesen mit digitalen Angeboten etwa dabei helfen, schneller ihre Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Dieser Bereich gilt auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als Wachstumsmarkt.
Zudem baute Rabe das Musikgeschäft BMG aus und stellte den Dienstleister Arvato neu auf. Beide Bereiche trugen im ersten Quartal zum Umsatzplus bei. „Die Ergebnisse der Boost-Strategie machen sich zunehmend bemerkbar“, so Rabe.
Vergangene Woche hatte Bertelsmann seine Callcenter-Tochter Majorel an den französischen Konkurrenten Teleperformance verkauft. Zuvor waren mehrere Verkaufsversuche gescheitert. Der Konzern erlöst damit rund 1,2 Milliarden Euro. Diese Mittel sollen ebenfalls in weiteres Wachstum investiert werden, kündigte Rabe an.
Bertelsmann hatte im abgelaufenen Jahr erstmals die Erlösmarke von 20 Milliarden Euro überschritten. Bis 2026 soll der Umsatz nach Vorstellungen von Rabe bei 24 Milliarden Euro liegen. Für das laufende Jahr rechnet Bertelsmann mit einem „moderaten bis deutlichen Umsatzanstieg sowie einem stabilen operativen Ergebnis“.
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