Im Anschluss an die Hauptversammlung erhielt die Deutsche Post am Donnerstag einen neuen Vorstandsvorsitzenden.
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Bonn Genau zwei Stunden und zwei Minuten dauerte es am Donnerstag im Bonner World Conference Center, bis die Aktionäre der Deutschen Post erstmals die Stimme ihres künftigen Vorstandsvorsitzenden vernahmen. Nach drei weiteren Minuten war der Vortrag von Tobias Meyer, der im Anschluss an die Hauptversammlung das Spitzenamt im Dax-Konzern übernimmt, schon wieder vorbei.
Mit Allgemeinplätzen wie dem Bekenntnis zu Klimaschutz und E-Commerce blieben die Ausführungen zur künftigen Unternehmensstrategie entsprechend übersichtlich. Er wolle weiterhin viel Arbeitszeit in den Konzernbetrieben verbringen, war noch das Konkreteste, was die Anleger von ihrem neuen CEO erfuhren.
„Wo ist Herr Meyer?“, hatten Aktionäre zuvor verständnislos gerufen. Dürfe der neue Vorstandschef überhaupt von der längst beschlossenen „Strategie 2025“ abweichen, fragte einer, „oder muss er sie exekutieren?“. Die Antwort lieferte – nicht frei von Ironie – Meyers bis zur HV amtierender Vorgänger Frank Appel: Sein Nachfolger habe natürlich freie Hand, falls der Aufsichtsrat da mitspiele, erklärte der 61-Jährige. Appel ist seit gut einem Jahr selbst Chefaufseher der Deutschen Telekom.
Dass der nach einer 15-jährigen Amtszeit abtretende Konzernchef auf der Hauptversammlung formal das Rederecht besaß, hatte er sich selbst ausbedungen. Schon Ende 2021 hatte der Aufsichtsrat den damaligen Post-und-Paket-Vorstand Meyer zu Appels Nachfolger bestimmt. Appel selbst aber ließ sich den Vertrag noch einmal um anderthalb Jahre verlängern, und zwar bis nach der Hauptversammlung 2023.
Sein Nachfolger sei „besser und anders als er selbst“, lobte Appel seither mehrfach seinen Kronprinzen. Überprüfen ließ sich das bislang allerdings nicht, denn Meyer mied die Öffentlichkeit, Anfragen nach Interviews beschied er mit Absagen. „Keiner hat Interesse an einer hektischen Profilierung“, sagte er am Donnerstag in Bonn.
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Tatsächlich startet der neue Vorstandsvorsitzende mit einem Malus. Die von ihm bis zur Jahresmitte 2022 geleitete Division „Post & Paket Deutschland“ fiel damit auf, dass sie als einzige der fünf Konzernsparten ihre Ertragsziele komplett verfehlte. Statt der angepeilten 835 Millionen Euro beim Betriebsgewinn nach Kapitalkosten lieferte Meyer gemeinsam mit seiner Nachfolgerin, Brief-Chefin Nikola Hagleitner, lediglich 582 Millionen Euro ab. Während alle übrigen Spartenchefs Jahreserfolgsvergütungen aus ihren individuellen Ergebnissen kassierten, ging Meyer – gemeinsam mit Hagleitner – in seinem Divisionsbereich leer aus.
Meyer hat bei der Post schon mehrmals von Appel übernommen
Und Meyer traut dem Dax-Unternehmen nur noch sechs bis sieben Milliarden Euro Betriebsgewinn in diesem Jahr zu. Vorgänger Appel hatte es – Corona und Ukrainekrieg zum Trotz – im zurückliegenden Jahr noch auf 8,4 Milliarden Euro gebracht.
Der 47-jährige Neu-Vorstandsvorsitzende, verheiratet und Vater dreier Kinder, stieß wie schon Appel und dessen Vorgänger Klaus Zumwinkel vom Beratungsunternehmen McKinsey zur Deutschen Post. 2013 wurde er dort Leiter Konzernentwicklung, zwei Jahre später wechselte er als Chief Operating Officer (COO) in die DHL-Speditionsdivision.
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Dort wusste Meyer sich zu profilieren, indem er das mit dreistelligen Millionenverlusten gescheiterte IT-Projekt „New Forwarding Environment (NFE)“ durch ein funktionierendes System ersetzte. Chef der Division war damals Frank Appel persönlich, der dort nach dem Rauswurf von Speditionsvorstand Roger Crook interimsweise die Führung übernommen hatte.
Ab 2018 half Meyer in der heruntergewirtschafteten Brief- und Paketsparte erneut beim Aufräumen. Und auch dort hatte Appel übergangsweise die Führung übernommen, das Amt nach erfolgreicher Sanierung später an Meyer abgegeben.
Das Muster wiederholte sich nun beim Wechsel an die Konzernspitze. Mitte 2022 gab Meyer die Verantwortung für seine bisherige Division ab, um einen Teil von Appels bisherigem Aufgabengebiet zu übernehmen, darunter die Konzernverwaltung und die Einheit Global Business Services.
Ob der verschlossen wirkende Wirtschaftsingenieur und Maschinenbauer als CEO künftig auch den Job meistert, Mitarbeiter zu motivieren und Kunden zu begeistern, bleibt abzuwarten.
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