In der Wolfsburger Firmenzentrale könnte es ein böses Erwachen geben.
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Stuttgart Volkswagen hat mit der Ankündigung, den Antriebsstrang von Elektroautos selbst zu bauen, die Autozulieferer aufgerüttelt. Aus drei Gründen ist der Vorstoß verständlich: Europas größter Autobauer will Lösungen aus einem Guss, wie es Tesla vorgemacht hat. Es lockt Rendite, denn der Antriebsstrang samt Leistungselektronik ist nach der Batterie das werthaltigste System im Elektroauto.
Zudem könnte in den konzerneigenen Komponentenwerken von VW Beschäftigung gesichert werden. Denn in der Transformation fallen wegen der geringeren Komplexität der E-Autos Zehntausende Arbeitsplätze weg.
In solchen technologischen Umbrüchen sind die Autobauer sich selbst die Nächsten. Aber der Weg über Insourcing wird nicht zum Ziel führen. Die bisherigen Gesetzmäßigkeiten der Industrie sprechen dagegen.
Die Domäne der großen Autozulieferer ist es, Komponenten in großen Stückzahlen für mehrere Kunden kostengünstig herzustellen. Sie lernen von Auftrag zu Auftrag. Selbst Europas größter Autokonzern dürfte da Schwierigkeiten haben, bei Stückzahlen, Takt und Kosten mitzuhalten.
Gelingt VW das Kunststück beim Antriebsstrang, wäre die bisherige Arbeitsteilung der Industrie außer Kraft gesetzt. Dann müsste man sich Sorgen um die Zukunft der großen Zulieferer machen.
Autozulieferer haben große Entwicklungsvorsprünge
Es liegt allerdings der Verdacht nahe, dass die VW-Entscheidung mehr politische als technische oder wirtschaftliche Gründe hat. Schließlich will das Land Niedersachsen als VW-Großaktionär mit Sperrminorität keine Massenentlassungen vor der Haustür. Es handelt sich also um Beschäftigungspolitik mit gefährlichen Nebenwirkungen.
Denn die Konsequenz wird sein: Elektroautos aus Wolfsburg werden bei den hohen Kostenstrukturen vor Ort tendenziell teurer. Wenn Volkswagen seinem Namen noch gerecht werden und Einstiegsmodelle um die 25.000 Euro anbieten will, wird es noch fraglicher, wie das mit der neuen „Selbst-und-allein-Taktik“ wirtschaftlich gelingen soll.
Auch ist fraglich, ob VW es in der knappen Zeit von zwei Jahren schaffen kann. Die Autozulieferer haben einen jahrelangen Entwicklungsvorsprung. Schon beim Thema Software hatten die Wolfsburger großspurig angekündigt, über die Hälfte selbst zu programmieren. Jetzt gelingt dies aber nicht ohne die Hilfe etwa von Bosch.
Die Zulieferer nehmen die VW-Offensive dennoch sehr ernst. Denn der neue Chef des Autobauers, Oliver Blume, hat den Ruf, dass er liefert, was er ankündigt. Deswegen suchen die großen Zulieferer und bislang wichtigsten VW-Partner mit ihren fertigen Inverter- und Thermomanagement-Modulen bereits im fernen Asien nach Entlastung.
Spätestens wenn chinesische Elektroautos mit von Bosch, ZF oder Vitesco in China kostengünstig gefertigten kompletten Antriebssträngen demnächst auf den deutschen Markt kommen, könnte es ein böses Erwachen für Blume in Wolfsburg geben. Dann muss man sich allerdings eher Sorgen um VW machen.
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