Frankfurt Der Mainzer Glasverpackungshersteller Schott Pharma erwartet bei seinem für Ende September geplanten Börsengang (IPO) eine Bewertung von 3,7 bis 4,3 Milliarden Euro. Wie das Unternehmen am Montag mitteilte, sollen Aktien in einer Preisspanne von 24,50 Euro bis 28,50 Euro angeboten werden.
Die Papiere stammen komplett aus dem Besitz des Mutterkonzerns Schott, der damit 849 bis 987 Millionen Euro erlöst und Mehrheitseigentümer bleibt. Die Qatar Holding zeichnet ein 200 Millionen Euro schweres Paket und fungiert als sogenannter Cornerstone-Investor, der bis zu fünf Prozent der Anteile erwerben will. Nach der Erstnotiz, die für den 28. September geplant ist, sollen sich bis zu 23 Prozent der Aktien in Streubesitz befinden.
Schott Pharma dürfte einer der größten IPOs des Jahres in Deutschland werden. Neben Schott Pharma hat der Panzergetriebehersteller Renk bereits sein Debüt angekündigt, auch der Mobilitätsdienstleister DKV (Tankkarten) steht in den Startlöchern für eine Erstnotiz an der Frankfurter Börse. Der deutsche Sandalenhersteller Birkenstock bereitet sich auf ein Debüt in New York vor.
Zu den Kunden der Schott-Tochter gehören etwa Biontech und Moderna, die die Verpackungen für ihre Covidimpfstoffe verwenden. Schott setzt zunehmend auf hochwertige Produkte, die sich zu Premiumpreisen verkaufen lassen.
Mit Schott Pharma kommt ein margen- und wachstumsstarkes Spezialgeschäft an die Börse. 2021 wuchs das Unternehmen um gut elf Prozent, 2022 um 26,5 Prozent auf 821 Millionen Euro. Die Marge, bezogen auf das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), legte von 22,6 Prozent im Jahr 2020 auf 26,8 Prozent im vergangenen Jahr zu. Auf mittlere Sicht will Schott Pharma pro Jahr um rund zehn Prozent beim Umsatz wachsen, bei der Ebitda-Marge ist ein Wert im „unteren 30-Prozent-Bereich“ das Ziel.
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Das Unternehmen produziert Pharmaverpackungen aus Glas und Kunststoff (Polymer). Das sind Ampullen, Fläschchen und Karpulen zum Aufbewahren von Medikamenten sowie Spritzen. „Wir sind auf Medikamente fokussiert, die per Injektion verabreicht werden“, sagte Andreas Reisse, der CEO des Unternehmens, dem Handelsblatt. „Für diese liefern wir Lösungen zum Aufbewahren und Verabreichen, die häufig mit einer Zusatzfunktion versehen sind.“
Der Wettbewerb ist überschaubar. Industrieanalysten zufolge teilen sich Schott Pharma, Stevanato – ein italienisches Unternehmen, das in den USA gelistet ist – und der US-Konzern Beckton Dickinson rund 60 Prozent des Marktes. Wobei Beckton Dickinson fast nur bei Spritzen mit Schott konkurriert, das Unternehmen hat ein breites Angebot etwa für Krankenhäuser.
Auch das US-Unternehmen West Pharmaceutical Services mischt mit, ist aber zugleich Partner von Schott Pharma. Die Firma liefert unter anderem die Stopfen für die Fläschchen.
Milliardengeschäft mit Spritzen
Besonders gut entwickelt sich aber das Geschäft mit Spritzen. Über die Hälfte der von der US-Gesundheitsbehörde FDA im vergangenen Jahr zugelassenen Medikamente müssen injiziert werden. Zum einen wird so weniger von häufig teuren Wirkstoffen benötigt, denn diese gehen direkt in die Blutbahn und müssen nicht durch den Magen-Darm-Trakt. Zum anderen gibt es weniger Nebenwirkungen, und Präparate wirken schneller.
Laut Schott Pharma wird der Markt für diese injizierbaren Medikamente das allgemeine Pharma-Wachstum um das 1,4-Fache übertreffen. Das weltweite Marktvolumen soll von 426 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf 579 Milliarden Euro im Jahr 2026 steigen. Für die hochwertigen Schott-Verpackungen wird sogar ein noch etwas höheres Wachstum veranschlagt.
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Große Hoffnungen setzt das Unternehmen in die Entwicklung der mRNA- Wirkstoffe. „Die Entwicklung ist hier erst am Anfang. Aber Covid hat gezeigt, dass es funktioniert und schnell geht“, sagt CEO Reisse. Die Technologie habe zudem den Vorteil, dass sie schnell und individuell angepasst werden könne. Das eröffne neue Möglichkeiten für sogenannte „Seltene Krankheiten“.
Die Herausforderung: Die mRNA-Medikamente müssen sehr kühl gelagert werden. „Die Wirkstoffe sind sehr empfindlich, werden tiefgefroren, dann wieder aufgetaut. Sie sind etwa beim Transport in Flugzeugen hohen Drücken ausgesetzt“, erklärt Reisse. Das seien extreme Anforderungen an die Spritzensysteme.
Boom durch Diätpräparate
Darüber hinaus boomen sogenannte GLP-1-Medikamente. Präparate, die eigentlich für die Behandlung von Diabetes entwickelt wurden, heute aber häufig als Diätspritzen verabreicht werden. Man habe bereits langlaufende Verträge mit den führenden Anbietern geschlossen, sagt Schott-Chef Reisse, ohne allerdings konkrete Namen zu nennen. Das Volumen: rund eine Milliarde Euro bis 2030.
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Nach Ansicht des Schott-Pharma-Chefs werden im Abnehmmarkt künftig immer häufiger tragbare Lösungen eingesetzt, bei denen sich der Patient den Wirkstoff selbst injiziert. Das ergänzt einen dritten Trend, im Fachjargon Homecare genannt. Der Patient trägt zum Beispiel dauerhaft einen Patch, eine Vorrichtung, in die der Wirkstoff eingelegt und subkutan verabreicht wird.
Schott Pharma liefert dafür die sogenannten Karpulen, in denen der Wirkstoff aufbewahrt wird. Sie können ohne weitere Vorarbeiten direkt in den Automaten eingesetzt werden. Das entlaste das Gesundheitssystem, spare Kosten und könne sehr gut mit der Telemedizin kombiniert werden, sagt Reisse.
Gleichzeitig verändert sich die Produktion der Medikamente. Auf einer Produktionslinie können verschiedene Medikamente produziert werden, und das bei kurzen Umrüstzeiten. Dafür liefert Schott vorsterilisierte und abfüllfertige Verpackungs-Lösungen.
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