Wiesbaden Trotz eines anhaltend schwierigen Marktumfelds zeigt sich die genossenschaftliche R+V-Versicherung mit dem Start ins Jahr 2023 zufrieden. Im deutschen Erstversicherungsgeschäft lagen die Beitragseinnahmen im ersten Quartal bei 5,8 Milliarden Euro und damit leicht unter dem Vorjahreswert von 5,9 Milliarden Euro.
Vor allem das Einmalbeitragsgeschäft in der Lebensversicherung war weiter rückläufig. „Bei den laufenden Beiträgen wachsen wir aber nach wie vor stärker als der Branchenschnitt – über alle Sparten hinweg“, sagte R+V-Chef Norbert Rollinger dem Handelsblatt im Vorfeld der Bilanzpressekonferenz. Die gesamten laufenden Beiträge aus dem Geschäft mit Schaden- und Unfall-, Kranken- und Lebensversicherungen stiegen um 4,8 Prozent.
„Vorsichtig optimistisch“ gibt sich Rollinger in Bezug auf den Vorsteuergewinn. Auf Konzernbasis soll dieser im Gesamtjahr 2023 bei 400 bis 500 Millionen Euro liegen. Im abgelaufenen Jahr hinterließen die Auswirkungen des Ukrainekriegs, der Zinsanstieg und die Inflation Spuren in Umsatz und Ergebnis. Die R+V beschäftigt in Deutschland über 16.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Ins Auge springt der stark gesunkene Vorsteuerverlust von 258 Millionen Euro des R+V-Konzerns. 2021 hatte der Vorsteuergewinn bei 914 Millionen Euro gelegen. Grund für die großen Unterschiede ist, dass die R+V als Tochter der DZ Bank einen Abschluss nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IFRS) erstellen muss.
Anders als andere Versicherer musste die R+V zuletzt bereits den Bilanzstandard IFRS 9 anwenden und viele ihrer Kapitalanlagen zu aktuellen Marktwerten bewerten. 2023 wird außerdem der Bilanzstandard IFRS 17 eingeführt, der Marktschwankungen auch stärker bei den Verpflichtungen gegenüber den Versicherungsnehmern berücksichtigt. Das dürfte zu einer Stabilisierung der Ergebnisse beitragen. Die meisten IFRS-Bilanzierer unter den Versicherern setzen in diesem Jahr beide Standards zeitgleich um.
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Nach den Regeln des deutschen Handelsrechts (HGB) gerechnet sank das Vorsteuerergebnis der R+V-Gruppe 2022 um mehr als ein Viertel auf 120 Millionen Euro. Im Vorjahr hatte es noch 163 Millionen Euro betragen.
Dazu beigetragen hat auch, dass die gebuchten Bruttobeiträge – also alle Beiträge, die die Kunden im Versicherungsjahr gezahlt haben – um 3,1 Prozent auf 19,5 Milliarden Euro zurückgingen. Im Vorjahr hatten sie erstmals die Marke von 20 Milliarden Euro überschritten.
Einmalbeitragsgeschäft in der Lebensversicherung ist schwierig
Der Rückgang der Beiträge lag vor allem im Lebensversicherungsgeschäft begründet. Rollinger sagt: „Unser Wachstum kommt klassischerweise aus dem Vertrieb über Banken, die durch den Zinsanstieg die eigenen Produkte wieder zu attraktiveren Konditionen anbieten können.“ Vor allem das Geschäft mit Lebensversicherungen gegen Einmalbeitrag war deshalb rückläufig. Diese Policen waren in der Niedrigzinsphase stark gefragt, müssen nun aber mit deutlich verbesserten Tages- und Festgeldangeboten konkurrieren.
In den ersten drei Monaten 2023 sanken die Beiträge in der Lebensversicherung daher insgesamt um 18,8 Prozent auf rund zwei Milliarden Euro. Das Geschäft mit Versicherungen, die Kunden regelmäßig besparen, stiegen aber um 2,4 Prozent.
Die R+V ist zuversichtlich, im Jahresverlauf mehr Kunden davon zu überzeugen, etwas für ihre Altersvorsorge zu tun und dafür Versicherungen abzuschließen. „Aufseiten der Politik besteht weiterhin Handlungsbedarf, um den Menschen Perspektiven für einen auskömmlichen Ruhestand zu bieten“, betont Rollinger.
Die Versicherer beobachten daher genau, wie es mit der geförderten privaten Altersvorsorge weitergeht. Alle bisherigen Versuche, die viel kritisierte Riester-Rente zu reformieren, sind gescheitert. Nun soll eine Fokusgruppe im Bundesministerium der Finanzen Vorschläge erarbeiten. Sie besteht aus Branchenvertretern, Wissenschaftlern und Verbraucherschützern.
Die DZ-Bank-Tochter konnte die Beitragseinnahmen im ersten Quartal 2023 nahezu auf Vorjahresniveau halten.
(Foto: dpa)
Der Versichererverband GDV, dessen Präsident Rollinger ist, hat dort das Konzept der Bürgerrente vorgestellt. Es sieht unter anderem ein vereinfachtes Zulagensystem vor. Rollinger ist „verhalten optimistisch, dass die Fokusgruppe bis zum Sommer zu guten Ergebnissen kommen wird“.
Für das Geschäft der R+V spielen Riester-Policen eine untergeordnete Rolle. Rollinger zufolge sollte die Politik neben der geförderten privaten Altersvorsorge auch die betriebliche Altersvorsorge weiter stärken: „Hier sehen wir viel Potenzial für unser eigenes Geschäft.“
Durch die Zusammenarbeit mit den Volks- und Raiffeisenbanken ist die R+V auch von der Debatte über ein mögliches Provisionsverbot im Finanzvertrieb betroffen. EU-Kommissarin Mairead McGuinness könnte ein solches Anfang Mai im Rahmen ihrer neuen Kleinanlegerstrategie vorstellen. Kern der Überlegungen ist, Anlegern Zugang zu kostengünstiger und unabhängiger Beratung zu ermöglichen.
Rollinger hält das diskutierte Verbot nicht für notwendig, da „das Provisionsmodell bereits in vielerlei Hinsicht reguliert“ sei. Er sehe es nicht als Aufgabe der Versicherer an, den Vertrieben die Art der Vergütung vorzugeben. Er votiert dafür, sowohl den Provisionsvertrieb als auch die Honorarberatung beizubehalten.
Kfz-Sparte ist im Jahr 2023 voraussichtlich defizitär
In der Schaden- und Unfallversicherung konnte die R+V die Umsätze in den ersten drei Monaten zwar um 5,5 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro steigern. Zugleich bekamen die Wiesbadener die Inflation zu spüren. So stiegen vor allem in der Kfz-Versicherung die Schaden- und Reparaturkosten an.
„Wir haben in den zurückliegenden Monaten Preisanpassungen vorgenommen“, sagt Rollinger. Branchenweit dürfte es für viele Versicherer in diesem Jahr dennoch schwierig werden, in dieser Sparte profitabel zu arbeiten.
Ein Wachstumstreiber für die R+V ist die Krankenversicherung. Die Sparte erzielte im ersten Quartal ein deutliches Plus von 6,6 Prozent. Bis 2026 will die Versicherung die Beiträge in dem Segment auf eine Milliarde Euro steigern.
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