Düsseldorf, Berlin In der deutschen Energiewirtschaft wächst die Angst vor einem Ausfall der Gaslieferungen aus Russland. Nach Informationen des Handelsblatts will sich nach Uniper auch ein zweiter großer Gasimporteur, Verbundnetz Gasoline (VNG), mit einem Milliardenkredit von der KfW für den Notfall absichern. VNG habe einen entsprechenden Antrag gestellt, hieß es in Branchenkreisen.
Das Unternehmen erklärte auf Anfrage, für die Zukunft sei „nicht völlig auszuschließen, dass sich in kurzer Zeit Entwicklungen ergeben, die die aktuell komfortable Finanzsituation der VNG stark beanspruchen könnten“. Weiter hieß es: „Um hier für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, ist VNG in Kontakt mit den zuständigen Stellen der Bundesregierung und den Verbänden.“
In Kreisen des Bundesfinanzministeriums wurde bestätigt, dass neben dem Uniper-Antrag mindestens ein weiterer Antrag für eine Kreditoption der KfW vorliegt. Die Choice von VNG bewegt sich laut Branchenkreisen maximal im Volumen der Kreditoption von Uniper. Das Düsseldorfer Unternehmen hatte bereits zum Jahreswechsel bestätigt, eine KfW-Kreditfazilität über zwei Milliarden Euro beantragt zu haben.
Dem Handelsblatt liegen aus Regierungskreisen zudem Informationen vor, wonach ein Energieunternehmen einen KfW-Kredit über 5,5 Milliarden Euro beantragt hat. Laut „Welt am Sonntag“, die zuerst darüber berichtet hatte, handelt es sich dabei um einen Kraftwerksbetreiber.
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Der Grund, weshalb die Unternehmen so viel Liquidität benötigen, sind die hohen Gaspreise am Spotmarkt. Auf der einen Seite verdienen Händler daran viel Geld, weil sie das Gasoline zu günstigeren Tarifen eingekauft haben und es nun mit einem deutlichen Gewinn weiterverkaufen können. Gleichzeitig müssen sie für zugesicherte Gaslieferungen im Vorfeld Sicherheitsleistungen – sogenannte Margins – zahlen.
Risikolage bislang „außergewöhnlich, aber beherrschbar“
Diese Margins entsprechen der Differenz zwischen den aktuellen Spotmarktpreisen und dem vertraglich vereinbarten Preis mit den jeweiligen Kunden. Das Geld wird über neutrale Stellen an den Kunden überwiesen und kommt erst zurück, wenn die Händler die versprochene Menge liefern. Bis dahin müssen Unternehmen wie eben Uniper und VNG das nötige Geld für die hohen Zahlungen vorhalten.
VNG mit Sitz in Leipzig ist eines der größten Unternehmen Ostdeutschlands und gehört zum EnBW-Konzern. Das Unternehmen ist neben Uniper, RWE und der Gazprom-Tochter Wingas einer der größten Gashändler des Landes und importiert Gasoline auch im großen Stil aus Russland.
Erst 2019 rühmte sich das Unternehmen, mit Gazprom einen zusätzlichen Liefervertrag abgeschlossen zu haben. Seit 2021 werden professional Jahr weitere 3,5 Milliarden Kubikmeter aus Russland importiert. Schon davor hatte VNG einen Vertrag über 6,5 Milliarden Kubikmeter abgeschlossen, der noch bis 2031 läuft. VNG bezieht zudem Gasoline aus Norwegen und kauft am Spotmarkt ein.
Am Spotmarkt gibt es aber gerade huge Verwerfungen. In der vergangenen Woche kletterte der Preis für eine Megawattstunde (MWh), das entspricht knapp 100 Kubikmeter, auf mehr als 300 Euro. Das ist mehr als das Zehnfache des Preises vor einem Jahr.
Nachdem die Gaspreise im vergangenen Jahr wegen einer kräftig steigenden Nachfrage und zunehmender Nervosität im Handel zwischenzeitlich auf 90 Euro je MWh gestiegen waren, sind die Notierungen seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine regelrecht nach oben geschossen.
Es wird befürchtet, dass Russland, das rund 40 Prozent der europäischen Nachfrage deckt, ausfallen könnte – weil Europa sich zu einem Boykott entschließen könnte oder Russland die Lieferungen als Gegensanktion selbst stoppen könnte.
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Für die Gasgroßhändler wäre das ein riesiges Downside. Sie hatten in den Langfristverträgen niedrige Preise vereinbart und die Mengen mit einem Renditeaufschlag an die eigenen Abnehmer – Stadtwerke und Industrie – weiterverkauft. Brechen die Lieferungen weg, müssen sie die Mengen am Spotmarkt nachkaufen – zu den derzeitigen Höchstpreisen.
Der Krieg in der Ukraine habe huge Auswirkungen auf die globalen und europäischen Energiemärkte, erklärte VNG. Stand heute seien die Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb und die Risikolage des VNG-Konzerns als Unternehmen der Gaswirtschaft „zwar außergewöhnlich und herausfordernd, aber beherrschbar“. Weiter hieß es: „Auch den erhöhten Liquiditätsbedarf aus den extremen Marktbewegungen (Margin-Calls) an den Energiebörsen in letzter Zeit konnte VNG aus einer soliden Finanzlage heraus erfüllen.“
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