Lilium plant für seinen elektrischen Senkrechtstarter einen Regionaldienst mit eigenen Flughäfen.
(Foto: lilium)
Berlin, Frankfurt Das deutsche Flugtaxi-Unternehmen Lilium kommt seinem Erstflug ein Stückchen näher. Bei Investoren sicherte sich die Firma insgesamt 150 Millionen Dollar, wie aus einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC hervorgeht. Die Hälfte der Summe steuert, wie bereits im Mai versprochen, der chinesische Investor Tencent bei. „Für die andere Hälfte übernehmen wir die Führung“, sagte Hendrik Brandis, Partner beim deutschen Wagniskapitalgeber Earlybird, dem Handelsblatt.
Damit ist es Lilium gelungen, einen Großteil seiner akuten Finanzierungslücke zu schließen, und dürfte damit den Zeitraum bis zum bemannten Jungfernflug überbrücken können. Dieser soll in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres erfolgen. Er ist die Voraussetzung für die Zertifizierung des elektrischen Senkrechtstarters, die wiederum notwendig ist, damit das Geschäft mit den Jets überhaupt erst losgehen kann.
Brandis, der selbst in München Luft- und Raumfahrttechnik studiert hat, gehört zu den frühen Investoren in das Raketen-Start-up Isar Aerospace. Von Lilium ließ er hingegen lange seine Finger. „Wir gehörten nicht zu den frühen Investoren, weil wir zu großen Respekt vor den technischen und finanziellen Herausforderungen hatten. Lange waren wir nicht sicher, wo die Reise hingeht. Aber jetzt sind die wesentlichen Hindernisse überwunden und der Erstflug ist nicht mehr weit entfernt.“ Deswegen sei man zuversichtlich, dass die Wette am Ende auch aufgeht. Dafür machte Brandis auch eine Ausnahme: Normalerweise investiert der Geldgeber von Start-ups wie N26 und Aleph Alpha nicht in börsennotierte Unternehmen.
>>Lesen Sie hier dazu mehr: So will Paris Vorreiter beim innerstädtischen Luftverkehr werden
Lilium war vor knapp zwei Jahren über einen Spac (leerer Börsenmantel) an die US-Börse Nasdaq gegangen. Damals wurde die Firma aus dem bayerischen Weßling mit rund drei Milliarden Dollar bewertet. Davon ist Lilium nun allerdings weit entfernt. Der Marktwert liegt derzeit bei rund 660 Millionen Dollar, zwischenzeitlich war es sogar mal nur ein Drittel dessen.
Brandis konstatiert: „Aufgrund der aktuellen Bewertung bietet sich bei Lilium ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis.“ Der Markt der sogenannten Electric-vertical-take-off-and-landing-Flugzeuge (kurz eVTOL) ist umkämpft. Viele verschiedene Anbieter kämpfen mit unterschiedlichen Ansätzen um einen Platz im Verkehr der Zukunft. Sie alle eint, dass sie noch die nötigen Zulassungen der Aufsichtsbehörden benötigen.
Es gab aber auch bereits erste Insolvenzen. So musste beispielsweise die US-Firma Kitty Hawk ihren Betrieb einstellen.
China wartet auf Siebensitzer
Lilium will einen Siebensitzer mit 30 ummantelten und kippbaren Rotoren bauen. Dieses Konzept sorgte in der Luftfahrt-Branche für viele Diskussionen und Kritik. Die klappbaren Rotoren würden viel mehr Energie verbrauchen als Flugtaxen mit fest installierten, großen Rotoren, wie sie zum Beispiel Volocopter aus Bruchsal bei Karlsruhe nutzt. Vor allem der Übergang vom senkrechten Aufstieg in den Gleitflug und später wieder in den senkrechten Sinkflug gilt als heikel.
Doch Lilium will mit seinem Flugvehikel anders als viele andere Anbieter auch längere Strecken bewältigen. Deshalb setzt das Unternehmen auf ein Konzept, das dem des Flugzeugs ähnelt. So hat der Lilium-Jet Flügel, die die Effizienz während des Reiseflugs erhöhen sollen.
Der Lilium-Jet soll als Siebensitzer an den Start gehen. In der VIP-Variante soll er allerdings mit weniger Plätzen abheben.
(Foto: Lilium)
Vorerst will Lilium allerdings Premiumverkehre als Charterdienst anbieten. Ende Mai unterzeichnete das Schweizer Privatjet- und Hubschrauberunternehmen Air-Dynamic einen Vertrag mit Lilium. Die Firma will bis zu fünf Jets kaufen, die für Kunden in der Schweiz und Italien betrieben werden sollen. Dafür soll die Premium-Ausstattung geliefert werden, die sogenannte Clubkonfiguration. Air-Dynamic leistet für die Fluggeräte eine Anzahlung. Das ist für Lilium wichtig, denn auch dieses Geld sichert die Finanzierung bis zur Zulassung. Später will Lilium dann regionale Strecken bedienen.
Mittlerweile hat Lilium mehrere wichtige Etappenziele erreicht. So flog der aktuelle Demonstrator erstmals mit der vollen Geschwindigkeit von 250 Stundenkilometern. Zudem hat das Unternehmen vor wenigen Tagen von der US-Luftfahrtaufsicht FAA die sogenannte G-1-Zertifizierungsgrundlage erhalten. Dort ist festgeschrieben, was der Jet erfüllen muss, um zugelassen zu werden. Auch von der europäischen Aufsicht EASA hat Lilium diese wichtigen Unterlagen bereits bekommen.
Shortseller haben Lilium im Blick
Gleichwohl gerät Lilium immer wieder ins Visier von Shortsellern, die auf einen Verfall des Aktienkurses setzen. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Iceberg Research einen neuen Bericht. Dort heißt es, das Unternehmen habe nur noch für acht Monate Geld und das Orderbuch sei nicht belastbar. Der Bericht sorgte allerdings nur kurz für einen überschaubaren Kursrückgang, danach ging es wieder aufwärts.
Brandis von Earlybird will solche Aussagen nicht stehen lassen: „Lilium verfügt über eine sehr große Order-Pipeline.“ Gleichwohl bleibt vorerst unklar, wie groß der Markt für den Lilium-Jet außerhalb von VIP-Verkehren ist. Zwar hat Lilium bereits zahlreiche Partnerschaften für den Aufbau von regionalen Diensten etwa in den USA geschlossen. Doch ob das alles ausreicht, um eine wirtschaftliche Produktion des Jets aufzubauen, ist derzeit noch offen.
Mehr: Wie viel verdient ein Lufthansa-Kapitän?