Die große Verunsicherung aus der Vorwoche mit minus 3,6 Punkten ist nun verflogen.
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Düsseldorf Das aktuelle Kursniveau am deutschen Aktienmarkt ist für Käufe geeignet, die allerdings eng abgesichert werden sollten. Das zeigt die Auswertung der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment.
Dabei ist der Fünf-Wochen-Durchschnitt der maßgebliche Indikator. Dieser notiert auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Rally im vergangenen Oktober. Sentimentexperte Stephan Heibel, der die Handelsblatt-Umfrage auswertet, erläutert: „Der absolute Wert dieses Indikators ist auf einem Niveau, das bei Verschnaufpausen im Rahmen einer intakten Rally für einen Boden ausreicht.“
Der Indikator hat vor allem in Bärenmärkten, die von sinkenden Kursen und eingetrübter Stimmung geprägt sind, seine Treffsicherheit unter Beweis gestellt (siehe Grafik). In solchen Fällen notiert er auf einem extrem negativen Niveau, was – vereinfacht formuliert – eine Kapitulation der Verkäufer signalisiert. Dann reichen bereits wenige Käufe, um die Kurse wieder steigen zu lassen.
Doch 2023 ist ein Bullenmarkt. Deswegen muss der Fünf-Wochen-Durchschnitt nicht auf ein extrem negatives Niveau abrutschen, um eine Trendwende daraus abzuleiten. Zudem wäre ein weiter deutlich fallender Fünf-Wochen-Durchschnitt nach Meinung von Heibel ein Risiko.
„Sollte diese Linie weiter abrutschen, könnte das einen Bärenmarkt zur Folge haben“, erläutert Heibel. Per Definition entstehen Bärenmärkte ab einem Kursrutsch von mindestens 20 Prozent. Deswegen der Rat, Käufe eng abzusichern.
Im positiven Fall dürfte es deutlich höhere Kurse in den kommenden Monaten geben. Im negativen Fall endet die Rally, und es ist ratsam, sich gegen weiter fallende Kurse abzusichern.
Mit der Sentimentanalyse kann ein sogenannter „Boden“ der Kursentwicklung nicht genau bestimmt werden. Sie kann nur Wahrscheinlichkeiten ausrechnen. Auch zeitlich lässt sich kein Tag und auch keine Woche definieren, sondern lediglich ein Zeitraum, der erfahrungsgemäß jedoch bei ein bis zwei Wochen liegt. In diesem Zeitraum könnte es noch turbulent bleiben, bis eine Entscheidung zu erkennen ist.
Aktuelle Umfragedaten
Das Anlegersentiment ist in der vergangenen Woche auf minus 3,3 gefallen. Damit stellt sich die schlechte Laune von vor zwei Wochen wieder ein. Die Aufhellung der Vorwoche war somit nicht nachhaltig.
Vor einer Woche war die Stimmung plötzlich angesprungen, und Käufer haben die tiefen Kurse für opportunistische Käufe genutzt. Doch für den Sentimentexperten Stephan Heibel ging vor einer Woche diese Entwicklung viel zu schnell. „Es würde mich daher nicht überraschen, wenn die Rally, die in den Köpfen der meisten Anleger eine ausgemachte Sache zu sein scheint, noch ein paar Wochen auf sich warten lässt“, erläuterte er am vergangenen Montag. So gab der Dax in der abgelaufenen Woche wieder um 0,6 Prozent nach.
Auch die Verunsicherung ist zurückgekehrt, der Umfragewert ist auf minus 3,2 gefallen. Kein Wunder, viele Anleger, die vor einer Woche opportunistisch gekauft haben, wurden auf dem falschen Fuß erwischt.
Zum Blick nach vorn ergeben die Umfragewerte: Der Zukunftsoptimismus ist erneut opportunistisch auf 4,0 gestiegen, der zweithöchste Wert seit anderthalb Jahren.
Die Investitionsbereitschaft hingegen ist auf 1,3 zurückgegangen, nach 1,7 in der Vorwoche. „Das ist nachvollziehbar, denn den gesamten August hindurch war die Investitionsbereitschaft sehr hoch“, erläutert Heibel. Laut seiner ausführlicheren AnimusX-Erhebung ist die Cashquote vom extrem hohen Wert bei 26 Prozent Anfang August inzwischen auf einen extrem niedrigen Wert von 16 Prozent gefallen.
Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart liegt bei null, die Anteile von Call- und Put-Hebelprodukten auf den Dax sind nahezu gleich. Im August war dieser Indikator überwiegend positiv. Daraus lässt sich schließen, dass die hohe Investitionsbereitschaft im August überwiegend für Long-Spekulationen, also Spekulationen auf steigende Kurse, genutzt wurde. Absicherungspositionen sind weitgehend aufgelöst.
Institutionelle Anleger, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern, sind optimistisch. Das Put-Call-Verhältnis ist auf 1,2 gefallen, was eine vergleichsweise starke Nachfrage nach Long-Spekulationen widerspiegelt.
In den USA bleibt das Bild gegensätzlich zu unserem: Das Put-Call-Verhältnis an der Chicagoer Terminbörse CBOE ist weiter angestiegen und zeigt einen gestiegenen Absicherungsbedarf der US-Anleger. US-Fondsmanager haben ihre Investitionsquote von 61 Prozent auf 50 Prozent reduziert.
Die Bulle-Bär-Differenz ist auf 12,6 Prozentpunkte angestiegen. Unter den US-Privatanlegern dominieren wieder die Bullen mit 42 Prozent im Vergleich zu den Bären mit nur noch 30 Prozent Anteil. Der anhand technischer Marktdaten berechnete technische „Angst-und-Gier-Indikator“ der US-Märkte steht bei neutralen 52 Prozent.
Kräftiges Kaufsignal am Ölmarkt
Die Zukunftserwartung am Ölmarkt ist derzeit besonders positiv. Nur 14-mal war die Erwartung in den vergangenen 17 Jahren vergleichbar optimistisch. Bei den rund 850 Wochenumfragen des Analysehauses AnimusX in diesem Zeitraum sind das weniger als zwei Prozent.
Wenn die Zukunftserwartung in der Vergangenheit so optimistisch war, dann ist der Ölpreis in den kommenden sechs Monaten durchschnittlich um ein Drittel angestiegen. Das Bemerkenswerte daran: Alle 14 Ereignisse führten in der Vergangenheit zu höheren Ölpreisen nach sechs Monaten. 13 der 14 Ereignisse führten sogar bereits nach drei Monaten zu einem höheren Ölpreis. Aus Sicht der Sentimenttheorie handelt es sich hierbei somit um ein relativ kräftiges Kaufsignal.
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