Es gibt Streit darüber, ob die Gas-Entlastung im Dezember 2022 steuerpflichtig sein darf oder nicht.
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Frankfurt Die Bundesregierung brachte wegen der gestiegenen Gaspreise infolge des Ukrainekriegs eine Soforthilfe auf den Weg. Die Kosten für den Dezember-Abschlag übernahm der Bund.
Technisch wurde dies gelöst, indem den Gas- und Fernwärmekunden der Abschlag für den Monat Dezember nicht in Rechnung gestellt wurde, sondern von den Gas- beziehungsweise Fernwärmeversorgern beim Bund als Ausgleichszahlung beantragt werden konnte. Individuelle Merkmale der Letztverbraucher wurden nicht berücksichtigt, da der Anknüpfungspunkt der einzelne Gas- oder Fernwärmeanschluss war.
Dass die Versorger keinerlei Informationen über die Einkommenssituation der Kunden haben, bedarf nicht der Erörterung. Um die Besteuerung sicherzustellen, wurden im Jahressteuergesetz 2022 neue Regelungen kodifiziert. Nach diesen Vorschriften ist ab einem zu versteuernden Einkommen von 66.915 Euro beziehungsweise 133.830 Euro bei Zusammenveranlagung die Besteuerung des Entlastungsbetrags vorgesehen.
Es wird fingiert, dass die Entlastung zu den sonstigen Einkünften zählt. Der Zufluss des Betrags ist im Jahr der Erteilung der Abrechnung. Die Besteuerung setzt aber nur ein, wenn im Veranlagungszeitraum 2023 die Einkommensgrenzen überschritten wurden. Warum der Gesetzgeber die Grenze von 66.915 Euro gewählt hat, ergibt sich nicht aus den Materialien. Die Besteuerung des Entlastungsbetrags ist nicht frei von Bedenken.
Gesetzgeber versucht, Grundsystematik zu unterlaufen
„Leitgedanke des Einkommensteuerrechts ist es, die Erwerbssphäre von der Privatsphäre und so die Einkommenserzielung von der Einkommensverwendung zu trennen. Die Besteuerung der Entlastung aus der Soforthilfe im privaten Bereich bricht gänzlich mit dieser Systematik.“ Offenkundig erfährt der Steuerpflichtige durch die Übernahme des Dezember-Abschlags eine Entlastung. „Die Kosten seiner privaten Lebensführung fallen durch die staatliche Hilfe geringer aus“, so Peter Mandler, Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit.
Eine Einnahme im Sinne der sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes liegt nicht vor. Der Gesetzgeber hat diesen Umstand gesehen und versucht, durch den Kunstgriff der Fiktion der Besteuerung die Grundsystematik zu unterlaufen.
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Neu ist auch, dass eine Geldleistung erst ab einem bestimmten zu versteuernden Einkommen als Einnahme im Sinne einer Einkunftsart anzusehen ist. Damit gelingt dem Gesetzgeber die Vermischung der bisher getrennten Ebenen von Einkünfte- beziehungsweise Einkommensermittlung und Tarif. Dabei kommt im Einkommen die Leistungsfähigkeit zum Ausdruck. Der Tarif stellt lediglich die Ermittlung der Steuerbelastung dar.
Gelten Ausgleichszahlungen als Sozialleistungen?
Der Gesetzgeber stellt mit dieser Regelung auch ein weiteres Prinzip zur Disposition. Sozialleistungen sind mangels Erwerbseinkommenseigenschaft nicht zu versteuern. So sind Elterngeld und Krankengeld steuerfrei. Sie unterfallen lediglich dem sogenannten Progressionsvorbehalt und erhöhen den individuellen Steuersatz.
Dogmatisch stellt sich die Frage, wie sich die Ausgleichszahlung in dieses System einfügt. Die Zahlung ist sicherlich eher eine Zahlung mit sozialem Charakter als eine Zahlung mit Einkommenserzielungscharakter.
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Praktisch bedeutsamer dürften die Überlegungen sein, ob wegen der systematischen Verwerfungen ein Rechtsbehelf, mit dem die Besteuerung angegriffen wird, sinnvoll erscheint. Das Anliegen des Gesetzgebers war es, Gutverdiener in höherem Maße an den Kosten der Krisenbewältigung zu beteiligen als Geringverdiener. Wegen der kurzen Reaktionszeit sind treffgenaue und sozialpolitische Aspekte schwierig umzusetzen gewesen.
Professor Michael Stahlschmidt ist Ressortleiter Steuerrecht der Fachzeitschrift „Betriebs-Berater“ und Chefredakteur der Fachzeitschrift „Der Steuerberater“. Dieser Artikel stammt aus der Kooperation zwischen dem Handelsblatt und der Fachzeitschrift.
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